Spielend durch die Krise

Deutscher Verband der Spielwaren-Industrie - November 2020

Spielware setzt Höhenflug fort
Branche besonders „krisenfest“ / Klassische Spielwaren im Trend / Onlinegeschäft großer Gewinner / DVSI warnt vor Wettbewerbsverzerrung

DVSI Geschäftsführer Ulrich Brobeil
Die Deutschen haben in der Corona-Pandemie ihre Liebe für Spielwaren entdeckt. Das zeigen die Zahlen der sechsten DVSI-Branchenstudie über die deutsche Spielwarenindustrie sowie die Daten einer repräsentativen, exklusiv für den DVSI erstellten YouGov- Umfrage. Im dritten Jahr in Folge und auch in Krisenzeiten kennt das Konjunkturbarometer der Branche nur eine Richtung: nach oben. Zweiter großer Gewinner der guten Entwicklung ist das Onlinegeschäft mit Spielwaren, das bereits im vergangenen Jahr einen Marktanteil von ca. 43% erreichte. Das Thema Nachhaltigkeit, Fokusthema des letzten DVSI-Index‘, steht für viele Spielwarenhersteller trotz Corona nach wie vor weit oben auf der Agenda. Für 35% zählt die Reduzierung von Material- und Energieeinsatz zu den wichtigsten Maßnahmen in den kommenden Jahren. Auch für 2021 erwarten 42% der befragten Spielwarenhersteller, dass sich der Aufwärtstrend fortsetzt.

Während Deutschland laut Sachverständigenrat 2020 einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts um 5,1% verkraften muss, trotzt die deutsche Spielwarenindustrie der Krise und zählt zu den „Gewinnern“ der Corona-Pandemie. Die Branche erweist sich zudem als ein Beschäftigungsanker in rauer See. Stieg die Erwerbslosenquote auf 6% Ende Oktober, bauten die deutschen Spielwarenhersteller 2020 per Saldo kein Personal ab, sondern 28% der Befragten schafften im Vergleich zum Vorjahr sogar etwas mehr Stellen. Zuwächse gab es vor allem bei mittelgroßen Unternehmen. Nach einem nennenswerten Beschäftigungszuwachs Mitte dieses Jahrzehnts präsentiert sich die Branche bei der Mitarbeiterentwicklung als robust.

Umsatzentwicklung und Erwartungen
Vorsichtige Krisengewinner: 58 % der Unternehmen schätzen ihre gegenwärtige Situation als „gut“ oder sogar als „sehr gut“ ein. Besonders gut beurteilen dabei große und mittlere Unternehmen die wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl die Abverkaufszahlen aktuell eine andere Sprache sprechen, glauben die befragten DVSI-Mitglieder allerdings, dass das Wachstum in diesem Jahr mit 1,5% nur moderat ausfallen dürfte. Großunternehmen mit über 10 Mio. € jährlichem Umsatz setzen die Messlatte aber höher an. Sie rechnen mit Zuwächsen von 3,5 % in 2020. „Der verhaltene Optimismus der heterogenen deutschen Spielwarenindustrie ist durchaus verständlich“, sagt DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil, „denn während des Umfragezeitraums Ende Oktober/Anfang November stiegen die Infektionszahlen drastisch an, was sich psychologisch negativ ausgewirkt haben dürfte. Zum anderen profitieren nicht alle Hersteller gleichermaßen vom Online-Boom. Hier haben die Top-Marken klar die Nase vorne, während kleinere Hersteller stärker auf den stationären Handel angewiesen sind.“ Gewichtige Impulsgeber der Spielwaren-Sonderkonjunktur sind Gesellschaftsspiele, Arts & Crafts, Building Sets, aber auch Modellbau/Plastikmodellbau und Modellbahn. Brobeil: „Die Beschäftigung mit haptischen Dingen, mit Basteln, mit Handwerk, das nimmt wieder zu.“

Die Corona-Pandemie geht aber nicht völlig an der Spielwarenbranche vorbei. Der Konzentrationsprozess und die seit Jahren anhaltende Polarisierung in der Branche nahmen durch COVID-19 zusätzlich Fahrt auf. Das zeigen die unterschiedlichen Erwartungshaltungen an die Umsatzentwicklung. Zum anderen rechnen nur noch 28% der Spielwarenhersteller in diesem Jahr mit besseren Umsätzen im Weihnachtsgeschäft als ein Jahr zuvor. 2019 waren es noch 33%. „Trotz hoffnungsvoller Signale, dass Ende dieses Jahres oder im Frühjahr 2021 Impfstoffe zur Verfügung stehen“, sagt Ulrich Brobeil, „werden wir wohl mindestens noch ein halbes Jahr mit einer gewissen Unsicherheit leben müssen, bis wir schrittweise zur lang ersehnten Normalität zurückfinden.“ Die Corona-Pandemie hinterlässt auch im Kopf der Hersteller ihre Spuren.

Online der große Profiteur
Der Hauptumsatztreiber in den letzten 10 Monaten war der Onlinehandel. Das gaben 64% der Befragten an. Das wird auch 2021 so bleiben, wie 57% sagten. Letzteres überrascht nicht. Nur 6% rechnen 2021 mit einer Rückkehr zur Normalität; weitere 22% gehen von einer langsamen Normalisierung im Laufe des Jahres aus. Der Siegeszug des Onlinehandels bereitet dem DVSI als Sprachrohr der Hersteller durchaus auch Kopfzerbrechen. „Die Schließung der stationären Spielwarengeschäfte während des Lockdowns im Frühjahr dieses Jahres“, sagt Ulrich Brobeil, „führte zu einer Wettbewerbsverzerrung und zu einer weiteren Verschiebung in Richtung Onlinehandel, was unsere Innenstädte weiter unter Druck gesetzt haben dürfte. Auch Spielwarengeschäfte sind für die funktionale Körnung der Innenstädte von großer Bedeutung.“

Nachhaltigkeit? Auch in Corona-Zeiten ein Thema
Klimaschutz und erneuerbare Energien liegen den Deutschen am Herzen – auch dem DVSI und den deutschen Spielwarenherstellern. Der DVSI ist erneut Partner der voraussichtlich im September 2021 stattfindenden 2. Bio!TOY Konferenz, bei der es u.a. um den Einsatz von biobasierten Kunststoffen und Verpackungsalternativen geht. Das Informationsbedürfnis in der Spielwarenbranche ist für den DVSI-Geschäftsführer jedenfalls da. „Ich glaube“, sagt Ulrich Brobeil, „dass eine ressourcenschonende Wirtschaft möglich ist. Fortschritte in der Spielwarenbranche gibt es bereits auf etlichen Ebenen.“ Für 41% der Hersteller besitzt das Thema Nachhaltigkeit eine hohe bis sehr hohe praktische Bedeutung im Alltag; 50% der Befragten attestieren ihrer Organisation sogar ein hohes oder sehr hohes Niveau und 52 % zeigen sich überzeugt, dass das Thema für die Wettbewerbsfähigkeit von „großer“ bis „sehr großer“ Bedeutung ist.

 


 

Spielend durch die Krise
DVSI Endverbraucherumfrage zeigt, Spielen war noch nie so wichtig wie heute

Die Corona-Pandemie ist ein kollektiver Stresstest, der besonders Familien vor große Herausforderungen stellt. Spielen erweist sich dabei als ideales „Therapeutikum“ für den Stressabbau und ein harmonisches Zusammenleben. Spielen hilft, besser durch die Pandemie zu kommen, wie eine exklusive YouGov-Studie für den DVSI zeigt.

Produkte, die Ablenkung, Unterhaltung oder Beschäftigung dienen, stehen seit Monaten hoch im Kurs. So beflügelte Corona regelrecht die Umsätze von Gartencentern und der DIY-Branche. Gleichzeitig rücken in Krisenzeiten Familien enger zusammen, auch notgedrungen. Dass von Spielen eine beruhigende Wirkung und positive Gefühle ausgehen, weil im Spiel „die Welt da draußen“ ausgeblendet werden kann, ist unter Wissenschaftlern unstrittig. Im Spielen existiert nichts als das Spielen selbst und seine „erlösende Wirkung“ auf Zeit. Das zeigt einmal mehr eine Anfang November 2020 vom Marktforschungsinstitut YouGov erstellte Endverbraucherstudie, die einen Einblick in das Leben von Menschen während der Pandemie gewährt.

36 % der Befragten stimmen der Aussage zu, dass ihnen Spielen mit Spielwaren geholfen habe, um besser durch die Corona-Pandemie zu kommen. Vor allem war den Befragten der Spaß- und Zeitvertreib (80%), Ausgleich/Entspannung/Erholung (78%) sowie Geselligkeits- und Gemeinschaftserleben (65%) wichtig bis sehr wichtig. 49% gaben an, dass für sie die individuelle Entwicklungsförderung durch Spielen wichtig bis sehr wichtig sei und 53% betonten den Lern- und Bildungsaspekt. Insgesamt wird seit Ausbruch von COVID-19 deutlich mehr gespielt. Vor allem Gesellschafts-, Brett-, Karten- Quiz- und Ratespiele (27% Mehrnutzer) liegen im Trend; Basteln/ Gestalten/Musizieren folgt mit 18%. Im Sommer erlebten Sport-, Freizeit- und Outdoorspielwaren einen kleinen Boom (15%). Wer einen Garten besaß, verlegte das Leben ins Grüne. Während das Zusammenspielen mit Freunden und Bekannten leicht rückläufig war, haben 26 % mehr persönlich mit der Familie und 23% häufiger alleine gespielt.