Micky Maus – 75 Jahre Daily Strips

Egmont - Januar 2005

 
Amerika stand vor den schwärzesten Jahren seiner Geschichte - der großen Depression. Die Jahre von 1930 bis 1933 wurden für weite Teile der amerikanischen Gesellschaft zur wirtschaftlichen Katastrophe und die Menschen waren glücklich über alles, was die Stimmung heben konnte. Sie suchten außerdem nach einem Helden, der stellvertretend für sie gegen korrupte Politiker, Bankiers und Industrielle kämpfte, die man für die Schuldigen an dem Debakel hielt und der jeder Lebenslage gewachsen war. Und zu diesem Helden erkoren sie Micky Maus.
 
 
Das mächtige King Features Syndikat von William Randolph Hearst sicherte sich schnell die Rechte von den Disney Studios für die Produktion und Distribution von Micky Maus-Strips in amerikanischen Tageszeitungen.

Zwei Jahre zuvor als Kino-Star fulminant gestartet, begann Micky Maus so seine Zeitungskarriere am 13. Januar 1930 mit der 67-teiligen Comic-Geschichte "Micky auf der geheimnisvollen Insel", die von dem Kinofilm „Plane Crazy“ inspiriert war.

Mit von der Partie war damals schon Minni Maus und die Geschichte stammt von Ub Iwerks und Walt Disney höchstpersönlich. Im März 1930 übernahm ein junger Autodidakt aushilfsweise die Micky Maus-Daily Strips: Floyd Gottfredson. 45 Jahre lang hat er die Abenteuer von Micky und seinen Freunden auf über 15.000 Strips festgehalten und ähnlich wie Donald-Übervater Carl Barks ist auch er zur Comiclegende geworden.

Es dauerte etwa ein Jahr, bis die Daily Strips mit Micky Maus nach Deutschland fanden. Am 27. Dezember 1930 wurde die erste Folge in der Kölnischen Illustrierten Zeitung abgedruckt.

Floyd Gottfredson

Floyd Gottfredson war der erste Disney-Comic-Zeichner der zu einer lebenden Legende wurde. Von 1930 bis 1975 schrieb und zeichnete er Micky Maus-Geschichten für Disneys Zeitungs-Strip-Abteilung. Floyd Gottfredson ist berühmt für die Erfindung einer Vielzahl von Micky-Co-Stars aber auch dafür, aus Micky Maus eine glaubwürdige, sympathische und einzigartig lebendige Comic-Figur gemacht zu haben.

Aus der Geschichte "Micky gegen Ratzo" (Mr. Slicker and the Egg Robbers), nachzulesen in Mickys Klassiker von 1985

Geboren wurde er am 5. Mai 1905 in Kaysville, Utah. Als Kind begeisterte er sich für Comics und Kino, und schon als Teenager arbeitete er sowohl als Filmvorführer im Kino und als Cartoonist. Gottfredson und Disney begegeten sich zum ersten Mal im Jahre 1929, als Floyd – zu dieser Zeit Fan der "Oswald Rabbit"-Filme – nach Kalifornien umzog und dort von der neuen geplanten Micky Maus-Serie erfuhr. Diese Maus sollte sein Schicksal werden. Im Dezember des gleichen Jahres unterschrieb er seinen Vertrag mit Walt Disney.

Floyd Gottfredson begann als Animations-Assistent. Doch dieser Job fand ein schnelles Ende, als Walt Disney dringend einen Ersatz-Künstler für die Micky Maus-Zeitungsstrips suchte. Disney schrieb die Geschichten selbst, aber der Zeichner Win Smith hatte gekündigt. Floyd Gottfredson übernahm aushilfsweise seine Stelle – und blieb dort hängen. Wenig später bat Disney ihn, die Serie auch zu schreiben. Von "Mr. Slicker and the Egg Robbers” an, seiner zweiten Fortsetzungsgeschichte, war Gottfredson komplett mit Micky-Abenteuern beschäftigt.

Floyd Gottfredson (links) mit Carl Barks.

Floyd verfolgte "Slicker" in vielen eigenen Geschichten. Geschichten, die er 1932 schrieb und lange später noch zeichnete; mitreißende Abenteuer zu denen sich Gottfredson seine eigenen klassischen Co-Stars für Mickys Welt erdachte. Mickys Kumpel Eddi (Butch) war der erste, dann folgten Käptn Kirchmaus (Captain Nathaniel Churchmouse), Kurt Kropp (Eli Squinch), Professor Wunderlich (Dr. Einmug), Eega Beeva (Gamma) und das teuflische Schwarze Phantom (Phantom Blot). Dazu kamen seine glänzenden Versionen von Minni, Rudi Ross, Goofy und Kater Karlo.

Bei all diesen wunderbaren Erfindungen phantasievoller Charaktere – Floyd Gottfredsons größter Verdienst war die Micky Maus selbst. Er sah seinen Helden nicht als erwachsenen Vorzeige-Nager sondern portraitierte ihn als "kleine Maus gegen den Rest der Welt": Ein unbeirrbar optimistischer, unvollkommener aber wild entschlossener junger Mann, der – ohne Garantie auf Erfolg – versucht, sich in schwierigen, oft beängstigenden Lebenslagen zu behaupten. Micky sucht die Herausforderung und wächst dadurch, und wie wir alle erlebt er dabei seine Rückschläge.

Auch Floyd Gottfredson musste manchen Rückschlag hinnehmen. Im Jahre 1956 wurde er gebeten, die Arbeit an den Abenteuergeschichten zu beenden und statt dessen Tages-Gags zu produzieren, mit Micky als braven Mann. In den folgenden 20 Jahren hielt sich Gottfredson getreulich an diese Anweisung, und passte Mickys Charakter an – sehr zu seinem eigenen großen Bedauern. Erst nach seiner Pensionierung wurde er für seine frühen Micky-Triumphe gefeiert – nicht zuletzt von seinem langjährigen Bewunderer Carl Barks.

In den Egmont-Ateliers feiert man Floyd Gottfredsons Triumphe ebenfalls. Nach und nach werden seine großartigen frühen Geschichten wieder neu aufgelegt und in den neuen Geschichten erhält Micky immer mehr von seinem alten Kampfgeist zurück. Mickys aktuelle Abenteuer zeigen nicht nur ein Revival von Gottfredsons originellen Nebendarstellern, sondern auch – hoffentlich – eine neue Interpretation des beseelten, fürsorglichen, überschäumend quirligen Charakters, den Floyd Gottfredson einst so gut kannte.