Spielepapst Erwin Glonnegger ist tot

Ravensburger - Februar 2016
 

 
Erwin Glonnegger war für viele Spielefans der „Spielepapst“ schlechthin. Wie kaum ein Zweiter brachte der Mann, der unter anderem über 20 Jahre für das Spieleprogramm bei Ravensburger verantwortlich war, das Gesellschaftsspiel in deutsche Wohnzimmer und warb ein Leben lang für die deutsche Spielekultur, die er engagiert prägte. Ob Spiele-Experte, Spiele-Erfinder, Autor eines Standardwerks über Spiele oder auch Spürnase für erfolgversprechende Spielideen: Er vereinte sie alle in einer Person. Wenn Familien mit Klassikern wie „memory®“ oder „Malefiz“ damals wie heute ihren Spaß haben, dann ist das ein wesentliches Verdienst von Erwin Glonnegger. Am Samstag, den 6. Februar starb er im Alter von 90 Jahren.

Noch bei seinem 90. Geburtstag im vergangenen Mai antwortete er auf die Frage „Spielen Sie eigentlich noch?“ prompt: „Natürlich! Jeden Dienstag und Samstag mit einem kleinen Spielerkreis hier aus der Stadt.“ Bis zuletzt blieb er seinem Anspruch treu, Menschen für Spiele zu begeistern und lud viele Jahre regelmäßig zu seinen Spielerunden ein, die er auch noch im Seniorenstift aufrecht erhielt.




Den richtigen Riecher für gute Spiele

Erwin Glonnegger im April 2015
 

Gesellschaftsspiele waren für Glonnegger nicht nur eine alte Liebe, sondern auch eine Berufung. 1949 zog Glonnegger in seinem Lebenslauf eine Ereigniskarte: Er heuerte als ausgebildeter Buchhändler beim Otto Maier Verlag in Ravensburg an und widmete sich zunächst dem Vertrieb von Fachbüchern. Doch bald zeichnet sich Glonneggers besonderes Gespür für neue Themen, Produkte und Märkte auch bei Gesellschaftsspielen ab. Dieses Gespür führt in auch immer häufiger ins Ausland, wo er wichtige Kontakte zu Spieleautoren und Lizenzpartnern knüpfte. So machte er Karriere und zog Anfang der 60er Jahre eine weitere Ereigniskarte: Ravensburger übertrug ihm die Leitung für das gesamte Programm des Spieleverlags.

Damals boomte das Gesellschaftsspiel in Deutschland und stieg während Glonneggers Tätigkeit von einer Randerscheinung zu einem in allen Schichten akzeptierten Freizeitvergnügen auf. Dafür hatte er unermüdlich getrommelt, außerdem besaß er einen untrüglichen Riecher für erfolgversprechende Spieleideen: Klassikern wie „memory®“, „Malefiz“ oder „Deutschlandreise“ verhalf er in den 60er Jahre bei Ravensburger zum Durchbruch. Auch Longseller wie „4 erste Spiele“, das erste Spiel des Jahres „Hase und Igel“, „Öl für uns alle“, die Erwachsenenspiele „Casino-Serie“, das „Börsenspiel“ und sehr viele mehr verantwortete er oder entwickelte er mit.

Spielbegeisterung ging bei Glonnegger weit über den Beruf oder das private Engagement hinaus. Er hatte auch eine Mission: Die Anerkennung des Gesellschaftsspiels als Kulturgut. Er schrieb über das Spielen, war Gastautor in Zeitungen und Zeitschriften und erhielt für sein Engagement 1986 das Bundesverdienstkreuz. Wundert es, wenn er in der Spieleszene als „Botschafter des Gesellschaftsspiels“ bezeichnet wurde?

1985 beendete Erwin Glonnegger nach 36 Jahren seine Laufbahn bei Ravensburger, aber nicht seinen Einsatz für das Gesellschaftsspiel: 1988 erschien sein Lebenswerk „Das Spielebuch“ – ein Standardwerk in der Spielebranche. Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen, Ausstellungen, Vorträge und Auszeichnungen. Vor drei Jahren wurde er noch für sein imponierendes Lebenswerk mit dem „Dau Barcelona Award“ geehrt. Man darf annehmen, dass Spiele Erwin Glonnegger glücklich gemacht haben – dieses Glück hat er in viele Familien und viele Wohnzimmer weiter getragen.

 
Erwin Glonnegger auf der Nürnberger Spielwarenmesse im Jahr 1986