Negativ-Preis Plagiarius rückt Diebstahl geistigen Eigentums ins öffentliche Licht

BRANDORA - Februar 2018

 
Das Geschäft mit Plagiaten und Fälschungen ist extrem lukrativ. Die Täterstruktur reicht vom einfallslosen Wettbewerber über skrupellose Händler bis hin zur organisierten Kriminalität. Neben Internet und digitaler Kommunikation sorgen leichtgläubige Schnäppchenjäger und ein zu geringes Strafmaß für Täter für die explosionsartige Ausbreitung des Problems. Aufklärung der Verbraucher und härteres Durchgreifen gegen Hersteller / Händler der Nachahmungen sind wichtig. Denn die Schäden für Originalhersteller und die Sicherheitsrisiken für Verbraucher sind enorm.

 

Plagiarius: Gegen dreisten Ideenklau, für mehr Fairness und Respekt
Der vom Designer Prof. Rido Busse ins Leben gerufene Negativ-Preis „Plagiarius“ wurde am 09. Februar 2018 auf der Frankfurter Konsumgütermesse „Ambiente“ im Rahmen einer Pressekonferenz zum 42. Mal verliehen. Bereits seit 1977 vergibt die Aktion Plagiarius e.V. den gefürchteten Schmäh-Preis an Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen. Ziel des Vereins ist einerseits, Industrie, Politik und Verbraucher für die Problematik zu sensibilisieren und die skrupellosen Geschäftspraktiken von Produkt- und Markenpiraten ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Gleichzeitig soll die Wahrnehmung für Bedeutung und Wirksamkeit von gewerblichen Schutzrechten gesteigert sowie die Wertschätzung kreativer Leistungen erhöht werden. Der Aktion Plagiarius ist es ein Anliegen, Unternehmern wie Privatleuten die Einzigartigkeit eines Originals vor Augen zu führen. Und sie will verdeutlichen, dass die Entwicklung eines Produktes von der ersten Idee bis zur Marktreife viel Zeit, Geld und Innovationskraft kostet. Dafür steht auch die Trophäe des Negativ-Preises: Ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase – Symbol für die immensen Gewinne, die ideenlose Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten der Kreativen und der Industrie erwirtschaften.

Plumpe 1:1 Nachahmungen sind einfallslos, moralisch verwerflich und führen zu Stillstand
Die Auszeichnung mit dem „Plagiarius“ sagt nichts darüber aus, ob ein nachgemachtes Produkt im juristischen Sinne erlaubt oder rechtswidrig ist. Die Aktion Plagiarius kann kein Recht sprechen. Sie darf aber auf Unrecht aufmerksam machen. Bevor die jährlich wechselnde Jury die Preisträger wählt, werden die vermeintlichen Plagiatoren über ihre Nominierung informiert und erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Neben fallbezogenen Informationen fließen diese Reaktionen, sofern erfolgt, mit in die Bewertung ein. Der Jury geht es keinesfalls darum, legale Wettbewerbsprodukte, die sich durch optische und technische Eigenständigkeit auszeichnen, zu brandmarken. Intention ist vielmehr, plumpe Nachahmungen, die dem Originalprodukt absichtlich zum Verwechseln ähnlich sehen und die keinerlei kreative oder konstruktive Eigenleistung aufweisen, in den Fokus zu rücken. Aus Angst vor der Prämierung mit dem Negativ-Preis haben bereits zahlreiche Nachahmer eine Einigung mit dem Originalhersteller gesucht und u.a. Restbestände der Plagiate vom Markt genommen, Unterlassungserklärungen unterschrieben oder Lieferanten preisgegeben.

Plagiate: Mehr Profitgier und Skrupellosigkeit als wohlgemeintes Kompliment
Produkt- und Markenpiraterie wird häufig als harmloses Kavaliersdelikt abgetan. Dabei sprechen die Zahlen für sich. Allein 2016 haben die EU-Zollbehörden laut EU-Kommission mehr als 41 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von 670 Millionen Euro an den EU-Außengrenzen beschlagnahmt – und das ist nur die Spitze des Eisbergs. China ist zwar einerseits Herkunftsland Nr. 1 für Fälschungen, gleichzeitig entwickeln sich aber immer mehr chinesische Firmen von der verlängerten Werkbank des Westens hin zu ernsthaften Mitbewerbern auf den Weltmärkten. Hinzu kommt: In Auftrag gegeben bzw. vertrieben werden die Nachahmungen häufig in Industrieländern. Oftmals von ideenarmen Mitbewerbern oder aber ehemaligen Produktions- bzw. Vertriebspartnern. Für eine bestmögliche Abwehr von Produkt- und Markenpiraterie rät die Aktion Plagiarius Firmen auf eine ganzheitliche Strategie aus juristischen, organisatorischen und technischen Maßnahmen zu setzen. Nachgemachte Waren sind mittlerweile in allen Preis- und Qualitätsabstufungen erhältlich, von gefährlichen Billigfälschungen bis hin zu qualitativ hochwertigen Plagiaten, die dann aber kaum günstiger als das Originalprodukt sind. Die Ausprägungen reichen von verunreinigten Parfums und Kosmetika, minderwertiger Unterhaltungselektronik und gepanschten Lebensmitteln über nachgemachte Schneid- und Haushaltwaren, Sanitärprodukte, Kinderspielzeug, Werkzeuge bis hin zu unsicheren Motorsägen und Autofelgen oder gar falsch dosierten Medikamenten und nicht funktionierenden medizintechnischen Produkten wie Notfallbeatmungsgeräten uvm.

Organisierte Kriminalität entdeckt Handel mit Markenfälschungen für ihre Zwecke
In Zeiten von Internet, Globalisierung und digitaler Kommunikation haben sich Kriminelle zu weltweiten Netzwerken zusammengeschlossen, die projektbezogen, flexibel und professionell agieren. Um die Risiken der Strafverfolgung zu minimieren und ihre Gewinne zu maximieren, diversifizieren sie ihre Tätigkeitsfelder und integrieren risikoärmere, aber nicht minder lukrative Varianten wie Zigarettenschmuggel und Markenpiraterie. Dabei nutzen sie vorhandene Strukturen aus Drogen-, Waffenund Menschenhandel und setzen für den globalen Vertrieb auf Internet, Social Media, Smartphones.

(Online-)Marktplatzbetreiber zur Bekämpfung rechtswidriger Angebote gesetzlich verpflichten
Auf namhaften globalen eCommerce-Plattformen werden neben Originalwaren nachweislich leider auch massenweise rechtswidrige Plagiate und Fälschungen angeboten. Meist von Drittanbietern, die nach Bedarf ihre (Schein-)Identitäten wechseln und sich erfolgreich in der Anonymität des Internets verstecken. Die Praxis zeigt, dass freiwillige Verpflichtungen und vollmundige Versprechen der Plattformbetreiber zur stärkeren Bekämpfung des Problems nicht ausreichen. Zu gering ist das Eigeninteresse manch unseriöser Plattformen. Technisch wäre das aktive Aufspüren und Löschen von potentiell rechtswidrigen Angeboten heutzutage möglich, aber das verursacht zusätzliche Kosten und schmälert den Gewinn. Gleichzeitig fielen Einnahmen weg, da Marktplatzbetreiber auch am Verkauf illegaler Angebote verdienen. Dabei sollte für alle Betreiber der Schutz der Originalhersteller und der Verbraucher an erster Stelle stehen. Eine gesetzliche Verpflichtung zu mehr Verantwortung und Engagement seitens der Marktplatzbetreiber wäre wünschenswert und sinnvoll.

Zweierlei Maß: Faire Arbeitsbedingungen für Verbraucher nur beim Original wichtig
In immer kürzeren Abständen fordern Konsumenten neue vielfältige Produkte in höchster Qualität und attraktivem Design. Für deren Entwicklung braucht es neben Know-how und Erfahrung auch Talent, Kreativität, Mut und Unternehmergeist, Durchhaltevermögen und Leidenschaft. An all diesen Eigenschaften fehlt es den Plagiatoren. Sie kopieren unverfroren ein fertiges Endprodukt, sparen die zeit- und kostenintensiven Entwicklungsschritte und Investitionen, schmücken sich ohne Skrupel mit fremden Federn und produzieren überwiegend unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen.

Beim bewussten Kauf einer Markenfälschung verdrängen Verbraucher erfolgreich diese verwerflichen Umstände und geben sich irrtümlicherweise der Illusion hin, dass ein nachgemachtes Produkt das gleiche Markenerlebnis verschafft wie das begehrte Markenprodukt. Dies ist mitnichten der Fall. Eine plumpe Fälschung hat weder die Aura des Originals noch löst es dessen Markenversprechen ein. Gleiches Design bedeutet nicht automatisch die gleiche Qualität, Funktionalität, Präzision und Sicherheit. Original und Plagiat sind nur auf den ersten Blick täuschend ähnlich.

Schlussendlich liegt es in der Verantwortung jedes einzelnen Verbrauchers sich statt für Ramsch mit Label von Kriminellen lieber für die unglaubliche Vielfalt legaler Produkte zu entscheiden und diese wertzuschätzen. Insbesondere beim Einkauf im Internet sollten Verbraucher daher genau hinsehen, auf ihren gesunden Menschenverstand hören und nicht voreilig und kritiklos auf „Kaufen“ klicken. Im ureigensten Interesse lohnt es Impressum, Zahlungsbedingungen, Widerrufmöglichkeiten und die allgemeine Seriosität des Anbieters sorgfältig zu prüfen. Hochwertige Markenprodukte gibt es nicht zum Fast-Umsonst-Tarif. Im Vergleich zum Plagiat sind sie aber ihren Preis wert.

Plagiarius-Preisträger 2018 ab 16. Februar im Museum Plagiarius in Solingen
Das Museum Plagiarius präsentiert die Sammlung der Plagiarius-Preisträger von 1977 bis heute. Die Ausstellung umfasst mittlerweile mehr als 350 Produkte der unterschiedlichsten Branchen und zeigt jeweils Original und Plagiat im direkten Vergleich. Die vielen Beispiele und die in Führungen vermittelten Hintergrundinformationen tragen maßgeblich zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei. Vom Zoll beschlagnahmte Fälschungen ergänzen die Sammlung. www.museum-plagiarius.de.




Die Jury des Plagiarius-Wettbewerbs 2018
Die Jury wird jedes Jahr neu zusammengestellt aus Vertretern der unterschiedlichsten Bereiche.

Die Jury des Plagiarius-Wettbewerbs 2018 setzte sich wie folgt zusammen:  
Dr. Stefanie Dathe
Direktorin Museum Ulm
 
Ulrike Freund
Geschäftsführende Gesellschafterin Brauerei Gold Ochsen GmbH, Ulm
 
Katja Häußer
Geschäftsführerin Scratch Advanced Advertising GmbH, München
 
Harald John
Leiter Lokalredaktion / Mitglied Chefredaktion der Südwest Presse, Ulm
 
Stefan Reichmann
Geschäftsführer Reichmann & Sohn GmbH, Weißenhorn
 
Max Ruhdorfer
Albert Ziegler GmbH, Direktor Ziegler Gruppe, Produkt Strategie, Design und Innovation, Giengen a. d. Brenz
 
Harald Schultes
Geschäftsführer FoodVision Deutschland GmbH / Geschäftsführer Initiative LifeCare, München
 
Tim von Winning
Bürgermeister der Stadt Ulm, Fachbereich Stadtentwicklung, Bau und Umwelt
 
Prof. Dr.-Ing. Michael Weber
Präsident der Universität Ulm

Juristische Beratung:
Dr. Aliki Busse
Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz, Rechtsanwaltskanzlei Busse & Partner, München




Die Verleihung des „Plagiarius 2018“ fand am Freitag, 09. Februar 2018, um 12:30 Uhr während der Frankfurter Konsumgütermesse „Ambiente“ im Congress Center der Messe Frankfurt im Raum „Illusion 1-3“ statt.

Die ‚Laudatio‘ auf die Preisträger hielt Michael Jungblut, Autor, freier Journalist und Moderator. Die Plagiarius-Preisträger 2017 und 2018 werden im Rahmen der Sonderschau „Plagiarius" vom 09. - 13. Februar 2018 im Foyer 5.1 / 6.1 ausgestellt.

Ab 16.2. 2018 werden die aktuellen Preisträger im Museum Plagiarius in Solingen präsentiert.




Die Preisträger des Plagiarius-Wettbewerbs 2018
Die Jury traf sich am 13. Januar 2018 und vergab drei Hauptpreise und sieben gleichrangige Auszeichnungen aus insgesamt 24 Einsendungen:




 

1. Preis
Küchen-Schneidgerät „Nicer Dicer Plus“

Original: Genius GmbH, Limburg, Deutschland Fälschung: Pingyang County Leyi Gift Co., Ltd., Zhejiang, VR China Der Fälscher kopiert unzählige Genius-Produkte - jeweils inkl. der Marke „Genius“ und dem jeweiligen Produktnamen - und bewirbt diese Online, auf Messen, auf Märkten und per Katalog. Die Schneidklingen der Fälschung sind stumpf und brechen leicht, der verwendete Kunststoff enthält gesundheitsschädliche Substanzen.




2. Preis
Aufblasbarer Wasserpark „Wibit Sports Park XL“

Original: Wibit Sports GmbH, Bocholt, Deutschland Plagiat: Sunny Kingdom, VR China Der Nachahmer kopiert das Produkt, d.h. den kompletten Sports Park mit allen Details (inkl. Rettungswesten) und benutzt die Original „Wibit-Hand“-Bildmarke. Zudem hat er Konzept und Musik vom Original Wibit-Werbevideo übernommen.

 



 

3. Preis
Rutscher „PUKY Racer“

Original: PUKY GmbH & Co. KG, Wülfrath, Deutschland Plagiat: Hersteller: Xingtai Kurbao Toys Co., Ltd., Hebei, VR China Vertrieb: Online, u.a. über alibaba.com Design und Technik wurden 1:1 vom Original übernommen. Die billigen Materialen (Gehäuse, Räder, Lenkrad) und schlechte Verarbeitung (Oberflächen) spiegeln die minderwertige Qualität wider.




Sieben gleichrangige „Auszeichnungen“ wurden verliehen




Bad-Accessoire-Serie „Royal“
Originale: Immanuel Industrial Co., Ltd., Tainan City, Taiwan Plagiate: Vertrieb durch einen deutschen Online-Händler über Amazon.de Trotz minimaler Designunterschiede bei zwei der Accessoires ist der Gesamteindruck der Serien identisch. Die Materialien sind beim Plagiat billig, die Anbringung der Strass-Steine schludrig. Die Plagiate wurden vom Markt genommen.

 



 

Rahmenprofil „e-X 14”
Original: inditec GmbH, Bad Camberg, Deutschland Plagiat: Herstellung / Vertrieb: raminkus Inh. Guido Minkus, Lindlar, Deutschland Vertrieb: Karthäuser-Breuer GmbH, Köln, Deutschland Ursprünglich hat Karthäuser-Breuer die Original-Rahmenprofile von inditec vertrieben; seit Mitte 2017 stellt die Einzelfirma raminkus optisch identische Rahmenprofile her und vertreibt diese selbst sowie über Karthäuser-Breuer.




Vorratsdose „Hot Stuff“
Original: Koziol ideas for friends GmbH, Erbach, Deutschland Plagiat: Vertrieb: Glocalize SPA, Santiago, Chile Produktdesign, Produktname, Werbe-Banderole sowie Koziol-Schrifttypo wurden 1:1 kopiert; lediglich der Firmenname „Koziol“ wurde nicht übernommen.

 



 

Käsereibe „Kasimir“
Original: Koziol ideas for friends GmbH, Erbach, Deutschland Plagiat: Vertrieb über ein spanisches Warenhaus / Geschenkeläden mit Onlineshop Seit Jahren werden unterschiedlichste Plagiate des Koziol-Bestsellers „Kasimir“ vertrieben (Asien, Spanien, Türkei). Jetzt wurden auch das Top-Schild inkl. Foto und die Gummibefestigung kopiert. Der spanische Distributor hat die Plagiate aus Läden und Internet entfernt und eine Unterlassungserklärung unterschrieben.




Silikonförmchen „Amorini“
Original: SILIKOMART S.r.l., Mellaredo di Pianiga, Italien Plagiat: Vertrieb: Ningbo Globalway Industry & Trade Co., Ltd., Ningbo, VR China Das Produktdesign ist 1:1 kopiert. Verpackungsdesign und der Name “Siliko” sind ebenfalls nahezu identisch und damit irreführend.

 



 

Schaltschrank-Heizgerät „CS 06020.0-00“, Heizleistung 150 W
Original: STEGO-Holding GmbH, Schwäbisch Hall, Deutschland Plagiat: Wenzhou Natural Automation Equipment Co., Ltd., Zhejiang, VR China Das Produktdesign, welches nicht technisch bedingt ist, wurde 1:1 kopiert, ebenso wurden STEGOArtikel- Nr., STEGO-Zertifikate sowie die Bedienungsanleitung übernommen, so dass irreführende Verwechslungen unausweichlich sind. Qualität und Leistungsstärke sind geringer als beim Original. Essentielle Sicherheitsstandards der Elektroindustrie werden durch die Kopie verletzt.




Schweizer Taschenmesser „SwissChamp“ (33 Funktionen)
Original: Victorinox AG, Ibach-Schwyz, Schweiz Fälschung: Vertrieb über das Internet Die Identitäten der Online-Händler sind schwer zu ermitteln, eine Verfolgung oft schwierig. Das Victorinox-Markenzeichen (Kreuz und Schild) verführt zum Kauf. Das mit der Originalmarke einhergehende Qualitätsversprechen wird aber von den extrem billigen Fälschungen nicht gehalten (unscharfe Messer, nicht funktionierende Lupe etc.).