Inventurdifferenzen im Handel 2002 noch über 1 % vom Umsatz
Gesamtverluste in Höhe von vier Milliarden Euro
Dem Einzelhandel entstanden 2002 Inventurdifferenzen in Höhe von rund 4
Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuell vom
Handelsverband BAG und dem
EuroHandelsinstitut, Köln, gemeinsam durchgeführte Erhebung über
Inventurdifferenzen im deutschen Einzelhandel 2002. Obwohl die
durchschnittlichen Inventurdifferenzen damit im Vergleich zum Vorjahr nahezu
gleichgeblieben sind, erreichen sie dennoch 1,07 Prozent des Bruttoumsatzes und
schmälern damit die Renditen im Einzelhandel nach wie vor erheblich.
Die Ladendiebstähle bewegten sich 2002 mit 549.353 angezeigten Fällen in etwa
auf dem Vorjahresniveau (Vorjahr 541.656). Von der gesamten Verlustsumme
entfallen allein auf unehrliche Kunden schätzungsweise 1,8 Milliarden Euro.
Statistisch gesehen stiehlt damit jeder deutsche Haushalt jährlich Waren im
Wert von 50 Euro im Einzelhandel. Allein auf den Lebensmittelhandel projiziert
bedeutet das, dass jeder 200. Einkaufswagen unbezahlt an der Kasse
vorbeigeschoben wird.
Zur Gegensteuerung setzt der Handel bei seinen Investitionen mehr auf
Prävention als auf Überführungen von Ladendieben. In den letzten Jahren wurden
vorbeugende und abschreckende Maßnahmen wie Warensicherungssysteme oder Kamera-
und Detektiveinsätze intensiviert und optimiert, um den Möglichkeiten zum
Ladendiebstahl zu begegnen. Ohne diese Anstrengungen wären die Verluste durch
Ladendiebstahl noch weitaus höher ausgefallen.
An der aktuellen Untersuchung beteiligten sich 68 Unternehmen mit mehr als
5.800 Verkaufsstellen, die einen geschätzten Gesamtumsatz von rund 39
Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Überwiegend waren filialisierte und
großflächige Einzelhandelsbetriebe an der Erhebung beteiligt.
Fast vierzig Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sich ihre
Inventurdifferenzen in den letzten drei Jahren verbessert haben, während
gleichzeitig jedes fünfte Unternehmen eine Verschlechterung feststellen musste.
Die stabile Entwicklung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die durch
Inventurdifferenzen festgestellten Verluste gerade in konjunkturell schwachen
Einzelhandelszeiten in einigen Branchen den Unternehmensgewinn übersteigen:
Im Lebensmittelhandel lagen die Werte der Supermärkte im Jahr 2002 mit 0,95 %
vom Bruttoumsatz knapp unter der 1%-Hürde. Auf der Großfläche der
Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser ist durchweg mit unter 0,9 % eine spürbare
Verbesserung eingetreten.
Die Entwicklung bei C&C-Märkten zeigt überwiegend einen positiven Trend.
Die Inventurdifferenzen sanken von 0,46 auf 0,39 Prozent an. Damit konnte die
im Vorjahr aufgetretene Verschlechterung wieder ausgeglichen werden.
Bei den beteiligten Warenhausunternehmen stieg der Durchschnittswert von 1,21
auf 1,32 Prozent vom Bruttoumsatz. Drei Unternehmen mit einer schlechteren
Entwicklung stehen drei Unternehmen mit besseren Inventurdifferenzen gegenüber.
Im Textilhandel ist per Saldo keine Veränderung festzustellen: Die gilt sowohl
für die Textil-kaufhäuser, unverändert 0,97 % als auch für die übrigen
Textilfachmärkte und -geschäfte mit durchschnittlich 1,26 % (Vorjahr 1,29 %).
Baumärkte und Drogeriemärkte müssen mit relativ hohen Inventurdifferenzen von
nahezu 2 Prozent leben. Obwohl der arithmetische Durchschnittswert in
Baumärkten leicht gesunken ist, hat die Mehrheit der Unternehmen geringfügig
schlechtere Werte feststellen müssen.
Ein Effekt darf nicht unerwähnt bleiben: 2002 haben viele der an der
Untersuchung beteilig-ten Unternehmen Umsatzrückgänge zu beklagen gehabt. Dies
führt dazu, dass bei absolut gleichbleibender Verlusthöhe die prozentual
ausgewiesene Inventurdifferenz höher ausfallen muss. Außerdem kommt hinzu, dass
sicher auch ein Personalabbau stattgefunden hat, der sich üblicherweise eher
negativ auf Inventurdifferenzen auswirkt. Umso positiver sind des-halb die
Ergebnisse zu beurteilen!
Zur Einschränkung von Inventurdifferenzen steht dem Handel ein vielseitiges
Maßnahmenspektrum zur Verfügung, dass je nach Unternehmen unterschiedliche
Schwerpunkte erhält. Nach wie vor haben Personalschulungen zur Vermeidung von
Inventurdifferenzen im Handel die größte Bedeutung und werden selbst von
einfachen und kostengünstigen Maßnahmen wie der Beschilderung unter Hinweis auf
Strafandrohungen oder auf technische Sicherheits-vorkehrungen nicht
übertroffen. Immerhin mehr als Dreiviertel aller Unternehmen setzen
Warensicherungen, Kameras und Detektive ein.
Verursacher von Inventurdifferenzen
Grundsätzlich sind vier Verursachergruppen verantwortlich für
Inventurdifferenzen, nämlich Kunden, eigene Mitarbeiter, Mitarbeiter von
Lieferanten und Servicekräfte sowie organisatorische Mängel. Über deren Anteile
stehen jedoch nur Schätzwerte zur Verfügung. Nach Einschätzung der
Erhebungsteilnehmer verursachen Kunden im Durchschnitt 47 %, Mitarbeiter 23 %,
Lieferanten und Servicekräfte zusammen rund 9 % der entstehenden Verluste. Auf
organisatorische Mängel entfallen rund 21 %. Allerdings ergeben sich je nach
Branche gravierende Unterschiede in der Einschätzung. Etwa 8 % der ermittelten
Inventurdifferenzen stellen nach Einschätzung der Erhebungsteilnehmer keine
Verluste dar, sondern sind im weitesten Sinne auf Unzulänglichkeiten in der
Bestandsfortschreibung und damit der Ermittlungsbasis für Inventurdifferenzen
zurückzuführen.
Weitere Daten, Hintergründe und detailliertere Auswertungen zur Entwicklung der
Inventur-differenzen sind als Studie des EuroHandelsinstitutes zum Preis von 75
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EHI-Verlag zu beziehen.
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