Brandora Rezension zu "Colosseum™" von Days of Wonder

Brandora Redaktion - 2. Mai 2007

 
Das Amphitheatrum Flavium, international bekannt als Colosseum, war das größte Amphitheater im antiken Rom, erbaut für grausame Unterhaltung unter Kaiser Vespasian. Colosseum, so heißt auch das neueste Spiel des Verlags Days of Wonder, ausgedacht vom Autorenpaar Wolfgang Kramer und Markus Lübke. Es ist zwar auch ein monumentales und opulent ausgestattetes Werk, aber der Unterhaltungswert ist auf keinen Fall barbarisch, sondern kurzweilig und äußerst gut verträglich.

Jährlich erscheinen in Deutschland bis zu 1.000 neue Spiele, darunter auch viele so genannte Autorenspiele. Im deutschsprachigen Raum hat sich in den letzten Jahrzehnten eine vielfältige Szene rund um Autorenspiele gebildet, mit der Folge, dass in den USA Brettspiele auch als German Games bekannt sind. Der Hype um Autorenspiele ist sicherlich eine direkte Auswirkung der bedeutenden Auszeichnungen „Spiel des Jahres“ (seit 1979) und „Deutscher Spiele Preis“ (seit 1990), bei dem alljährlich Spiele von besonderer Qualität und Originalität prämiert werden. Der Spielautor steht bei diesen „Spiele-Oscars“ so sehr im Vordergrund, dass im Laufe der Jahre bei den Machern aus der Passion eine Berufung wurde und aus den Berufenen eine Zunft.

Zu den meistgenannten Autoren gehört neben Klaus Teuber, der mit Die Siedler von Catan einen Meilenstein des Autorenspiels entwickelt hat, zweifellos auch Wolfgang Kramer (mit u.a. Auf Achse, El Grande, Heimlich & Co., 6 nimmt, Tikal und Torres). Der 64jährige Profi hat sich nun für Colosseum mit dem Newcomer Markus Lübke (44) zusammengetan und für den jungen Verlag Days of Wonder ein originelles und äußerst ansprechendes Spiel geschaffen. Der in Kalifornien und Paris beheimatete Verlag hatte 2004 aufhorchen lassen, als ihm mit Zug um Zug das Spiel des Jahres gelang.

Schon beim Auspacken von Colosseum erkennt der verwöhnte Fan, dass da etwas ganz Besonderes vorliegt. Das Spielmaterial ist sehr ansprechend gestaltet, so kommen die „Adeligen“, das sind Senatoren, Consuln und der Kaiser, als auffallend gestaltete Holzpöppel, mit Tunika und Lorbeerkranz versehen, daher. Auch die Arenen mit Arenenerweiterungen, die Spielkarten bzw. Spielplättchen und Münzen sind grafisch professionell und liebevoll gestaltet. Da steckt viel Arbeit und Recherche hinter! Die Vorbereitungen nehmen aber schon etwas Zeit in Anspruch, denn das umfangreiche Material muss akribisch aus den vielen Platten gelöst und auf einem - nicht zu klein bemessenen - Tisch ausgelegt werden .

Der Spielplan stellt das antike Römische Reich dar, auf dem jeder Spieler seine eigene Arena hat. Diese Arenen befinden sich in verschiedenen Städten, die miteinander durch eine gepflasterte Straße verbunden sind. Die bedeutenden Arenen stehen in Verona, Paestum, Pompeii, Capua und natürlich in Rom. Der Spieler hat bei Colosseum die Rolle des Impresario, der mit großen Veranstaltungen versuchen muss, die meisten Zuschauer für seine Darbietungen zu begeistern. Für jedes Spektakel winken Reichtum und Ruhm, und diese wiederum dienen dazu, immer ehrgeizigere Projekte zu verwirklichen. Wer in fünf Spielrunden die meisten Zuschauer zu einer Veranstaltung locken konnte, erhält den Titel "Großer Impresario".

Spielverlauf

Beispiel: Programmkarte
Jede der fünf Spielrunden, sie stehen für die eventuell zu inszenierenden Veranstaltungen, besteht aus fünf Phasen. Die freiwillig zu durchlaufenden Phasen bieten alle Variationen erfolgreicher Spiele: Glück, Taktik, Strategie und Verhandlungsgeschick. Das Ziel ist es, das größte aller Spektakel aufzuführen und die meisten Zuschauer in seine Arena zu locken. Leicht ist es nicht, denn es gibt ja die Mitspieler, und die haben dasselbe Ziel.

Eine Auswahl von Spektakelkärtchen

In der ersten Phase wird investiert, das heißt, es muss keine oder genau eine der vorgegebenen Strategien gewählt werden. Der Spieler kann entweder ein neues Programm kaufen oder eine antike Marketingstrategie auswählen, das heißt, seine Arena erweitern, einen Luxusplatz einrichten oder sogar eine Kaiserloge bauen. Die Investitionen haben verschiedene Preise, die in römischen Münzen zu zahlen sind. Sie müssen sorgsam ausgewählt werden, denn sie bedeuten den Grundstein für den späteren Veranstaltungserfolg. Das richtige und große Programm bringt zwar die meisten Zuschauer, doch die richtige Strategie bringt wichtige Zusatzzuschauer, die nicht unerheblich sein können.

Eine ausgebaute Arena

In der zweiten Phase können Spektakelkärtchen ersteigert werden. Für die auf den Programmkarten beschriebenen Spektakel werden vorgegebene Requisiten und Teilnehmer benötigt. Diese können in verschiedenen Zusammenstellungen auf fünf Märkten ersteigert werden. Zur Auswahl stehen u.a. Gladiatoren, Wagen, Pferde, Künstler, Löwen oder auch Fackeln und andere Requisiten. Der Gewinner der Bietrunde bezahlt seinen gebotenen Betrag an die Bank und erhält die drei Spektakelplättchen dieses Marktes. In jeder Runde kann nur eine Auktion gewonnen werden.

In der dritten Phase wird gehandelt. Während des Spieles kann ein Spieler Spektakelplättchen bekommen, für die er keine Verwendung hat. Nun gibt es die Möglichkeit, mit nicht benötigten Spektakelplättchen zu handeln oder benötigte zu erwerben. Die Spieler können in dieser Phase kaufen, verkaufen oder tauschen.

In der vierten und wichtigsten Phase kommt es zur Aufführung. Diese setzt sich aus drei Teilen zusammen. Zunächst versuchen die Spieler die Adeligen in ihre Arena zu bewegen. Jeder Adelige bringt zusätzliche Zuschauer mit. Darüber entscheidet das Würfelglück in Kombination mit der richtigen Zugstrategie. Anschließend wird die Veranstaltung aufgeführt. Diese Aufführung wird bestimmt von den Programmkarten, den Spektakelkärtchen und der Arenengröße, die der Spieler besitzt. Schließlich kommt es zur Zählung: Jede Darbietung kann eine bestimmte maximale Anzahl an Zuschauern anziehen. Diese auf der Programmkarte vorgegebene Zahl ist abhängig von den Spektakelkärtchen. Jedes benötigte, aber nicht vorhandene Kärtchen reduziert die Zahl überproportional. Auch verändern die in der ersten Phase gewählten Marketingstrategien die Zuschauerzahlen sehr spürbar.

In der fünften Phase wird abgerechnet. Der Spieler mit dem höchsten Punktestand erhält ein Podium, das er nun in seiner Arena platzieren darf. Dies ist nicht zwangsläufig derjenige, der in der laufenden Runde die meisten Zuschauer anlocken konnte, sondern der Spieler, der den Zuschauerrekord hält. Das Podium bringt seinem Besitzer 3 zusätzliche Zuschauer bei jeder seiner zukünftigen Aufführungen.

Fazit

Die Partie endet, wenn jeder Spieler in der fünften und letzten Runde die Gelegenheit hatte, eine Aufführung zu veranstalten. Es gewinnt der Spieler, dessen Rekordstein auf der Wertungsleiste am weitesten vorne steht. Es entscheidet also nur eine, die größte Veranstaltung, aber die anderen Veranstaltungen ebnen den Weg, so dass es wohl meistens in der letzten Runde zum bedeutendsten Spektakel kommt.

Für etwa 40€ erhält man ein Familienspiel für drei bis fünf Spieler, dass außergewöhnlich und phantasievoll gestaltet ist. Das einfache Regelwerk ist übersichtlich und gut nachvollziehbar. Mit Glück, Taktik, Strategie und Verhandlungsgeschick bietet es die wichtigsten Anforderungen für ein erfolgreiches Spiel. Die angegebene Spieldauer von 60 bis 90 Minuten ist, besonders beim ersten Mal, nur schwer einzuhalten. Colosseum ist ein abendfüllendes Spiel, das von Spannung, Unwägbarkeiten und dem historischen Hintergrund lebt. Dem Autorenpaar ist es gelungen ein ansprechendes Spiel zu schaffen, das aus dem großen Angebot der Neuheiten 2007 herausragt und damit auch ein wichtiges Kriterium für eine Empfehlung zum Spiel des Jahres 2007 erbringt.