Ravensburger: Das Prinzip Kooperation im Brettspiel

Ravensburger AG - Dezember 2010

 
Spielerisch gegen den (Zeit-)Geist

Am Ende läuft es am Spieltisch oft wie im echten Leben: Einer jubelt, alle anderen müssen sich mit den hinteren Plätzen begnügen. Ravensburger hat mit dem Elektronik-Brettspiel „Wer war's?“ dem Ego-Zeitgeist das Prinzip Kooperation entgegengesetzt – und mit 600.000 verkauften Exemplaren das erfolgreichste Spiel der Jahre 2008 und 2009 in Deutschland kreiert. Teamplaying kommt offensichtlich wieder an. Spieleforscher Prof. Dr. Rainer Korte und der Diplom-Sozialpädagoge Christopher Wirtz haben „Wer war's?“ und Nachfolger Wer war’s? Schräghausen getestet - und können das Phänomen erklären.

„Kooperative Spiele“ waren mal en vogue: in den 80ern. Allerdings nur vorübergehend. Bei den so genannten kooperativen Spielen damalsging es in erster Linie um Erziehung zum sozialen Miteinander. Der Spielspaß hielt sich in engen moralischen Grenzen. Dementsprechend kurz hielten sich die sehr gut gemeinten Produkte. Bei „Wer war's?“ ist es genau umgekehrt: Das soziale Prinzip funktioniert, gerade weil das miteinander Spielen so viel Spaß macht. Die Rekordzahl von 600.000 verkauften Exemplaren innerhalb von drei Jahren spricht für sich.

Ein wichtiger Grund für die Begeisterung ist ein neuartiger Mechanismus: „Wer war's?“ und sein aktueller Nachfolger Wer war’s? Schräghausen verbinden Elektronik und Brettspiel so geschickt miteinander, dass die gemeinsame Spurensuche im Countdown gegen den bösen Kobold bzw. Geist („Hahahhh, um 18 Uhr gehörrrt das ganze Reich mirrr!“) zum Dauer-Abenteuer wird. Spieleforscher Prof. Dr. Rainer Korte, langjähriger Leiter der „Arbeitsstelle für Spielforschung und Freizeitberatung“ an der Fachhochschule Dortmund, und der Diplom-Sozialpädagoge Christopher Wirtz haben das Spiel gegen den (Zeit-)Geist unter die Lupe genommen - und aufschlussreiche Beobachtungen gemacht.

Kommunikation und Kooperation werden immer wichtiger

Korte spricht dem Spiel des Erfolgsautors Reiner Knizia jene entscheidende Qualität zu, die heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist: „Statt des Alleingangs in vielen wettbewerbsorientierten Spielen wird hier sehr stark auf die Elemente von Kommunikation und Kooperation gesetzt. Das sind Fähigkeiten, die sowohl in der Familie als auch in der Schule und später im Beruf zunehmend verlangt werden.“ Warum aber das Prinzip Kooperation als Gesellschaftsspiel offensichtlich sehr gut funktioniert, begründet Korte so: „Die Kinder merken, dass es nicht darauf ankommt, sich mit den berühmten ,Ellenbogen' allein und rücksichtslos durchzusetzen. Sie werden durch den Spielmechanismus in ungezwungener und lockerer Weise aufeinander verwiesen.“

Praxistest: Wer war’s? bringt Lernprozess ins Rollen

Wie das passiert, hat auch Dipl. Sozialpädagoge Wirtz untersucht. Der 43-Jährige weiß, dass heutzutage viele Kinder Nachholbedarf in Sachen soziales Lernen haben. Und zwar keineswegs nur verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, mit denen er beruflich zu tun hat. Doch gerade in seinen Gruppen hat der zweifache Familienvater immer wieder zu ein paar Runden „Wer war's?“ an den Spieltisch geladen - und erlebt, wie die Kinder in brenzligen Situationen aus eigener Motivation ihre Selbstwahrnehmung üben und unsoziale Verhaltensmuster hinterfragen. Er war begeistert davon, dass „ein toller kommunikativer Lernprozess“ ins Rollen gekommen ist.

Das fing schon an bei der Frage, wo das magische Radio stehen soll. Immer bei dem, der gerade am Zug ist? Klar war schnell: Jeder will es mal bedienen – und soll auch. Und dann hören alle, was die gute Fee oder die Tiere oder die Kinder zu vermelden haben. Wirtz hat immer wieder beobachtet: „Vor allem die Jungs bedienen unwahrscheinlich gern die Knöpfe. Im Spiel lernen sie aber, ihre Impulsivität in den Griff zu kriegen und auch mal innezuhalten.“ Auch Selbstmotivation und Beharrlichkeit stehen nach Wirtz' Erfahrung im Vordergrund: Beim ersten Mal blieb in seinen Runden in der Regel der Geist Sieger. Doch immer wollten die Kinder es gleich nochmals versuchen. Schließlich trägt ja die ganze Gruppe eine Niederlage, das konnten alle wegstecken, ohne gleich total frustriert zu sein. Also: Los, jetzt zeigen wir's dem!

Nach zwei bis drei Durchgängen haben Wirtz' Schützlinge zumeist angefangen, strategisch statt nur drauflos zu spielen. Und Wirtz war umso zufriedener über den Lernerfolg. Schließlich fällt es heutzutage den meisten Kindern schwer, sich länger auf eine Sache zu konzentrieren und ihr Gedächtnis anzustrengen. Bei „Wer war's?“ erleben sie seiner Erfahrung nach ohne Druck von außen wie die entscheidenden Tipps für die weitere gemeinsame Spurensuche zu bekommen sind.

Als entscheidend erlebte der Sozialpädagoge auch immer die Frage der Hierarchie. Immer wieder gerieten die Kinder aneinander, solange sie nicht geklärt hatten, wer bestimmen darf, wo es im Zweifelsfall lang geht: Derjenige, der gerade am Zug war und gewürfelt hat? Derjenige, der am schnellsten sagt, was er zu wissen glaubt? Der Stärkste? Schon bald hatten sie Regeln gefunden: Gewinnen kann nur die Gruppe, nicht ein Einzelner – deshalb entscheidet auch die Gruppe mit. Das leuchtete ein.

Der Reiz des gemeinsamen Tuns und Spielens

All diese Erkenntnisse aus der Praxis ergänzt Prof. Rainer Korte in seiner Expertise um die Beobachtung, dass die Kooperation nicht trotz sondern wegen der Verbindung aus Elektronik und Brettspiel gelingt: „Wer war's?“ und Wer war’s? Schräghausen sind eine gute Mischung aus klassischem Tisch- und Brettspiel und elektronisch gesteuerten Elementen. Nicht wie bei Computer- oder Konsolen-Spielen ist das Gegenüber ausschließlich ein elektronisches Programm oder eben nur der Bildschirm, sondern hier kommen alle Elemente zwischenmenschlicher Kommunikation, verbal wie nonverbal, zum Tragen.“

Korte hegt sogar die Hoffnung, dass „Kinder, Jugendliche und Erwachsene durch derartige Spiele auf längere Sicht auch wieder stärker zu Brett-spielen ohne elektronische Komponenten kommen, wenn erst einmal wieder der Reiz des gemeinsamen Tuns und Spielens entdeckt worden ist“. Der 64-Jahre alte Erziehungswissenschaftler sieht im schnelllebigen digitalen Zeitalter jedenfalls einen großen Bedarf dafür, dass „Familien und natürlich auch alleinerziehende Eltern sich für Brettspiele mit ihren Kindern Zeit nehmen“. Die Kinder würden dann merken, dass die Erwachsene „sich ihnen wirklich zuwenden“. Auch das eine Form von Kooperation.

 

Das 1. Abenteuer
Wer war’s?
Elektronisches Brettspiel
für zwei bis vier Spieler
ab 6 Jahren
von Reiner Knizia
kostet ca. 35 Euro
„Kinderspiel des Jahres 2008“
„Deutscher Spielepreis 2008: Bestes Kinderspiel“
 

Das 2. Abenteuer
Wer war’s? Schräghausen
Elektronisches Brettspiel
für zwei bis vier Spieler
ab 7 Jahren
von Reiner Knizia
kostet ca. 35 Euro
 

 
Weitere kooperative Spiele,
die 2010 bei Ravensburger
erschienen sind:

 
tiptoi® Die Englisch-Detektive
Für 1 bis 4 Spieler von 6 -10 Jahren

Nominiert für den
TOMMY Kinder-Softwarepreis 2010

Als tiptoi® Starter-Set mit
Spiel inklusive tiptoi® Stift
für ca. 40 Euro
 
 

Mein Mäuschen-Farbspiel
Für 1 – 4 Spieler ab 2 Jahren
Ausgezeichnet mit dem
„Goldenen Schaukelpferd 2010“