Art Licensing: Wenn Kunst Marken macht - Gastbeitrag von Jörg Meister (little big things)

5.11.2025
Lizenzbranche
https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/bd16d3baf5739a1ca9f3d3b6711511fbfe1bac0b-1280x720.png

Kunst trifft Kommerz: Immer mehr Marken und Museen entdecken das Potenzial von Art Licensing. Ob Van Gogh bei LEGO, Frida Kahlo auf Mode oder Tate Modern im Designshop: Kunst wird zur Marke und zum Erlebnis. Warum das Lizenzieren von Kunst neue Chancen für Handel, Kultur und Kreativität eröffnet, lesen Sie im aktuellen Leitartikel.

Lange Zeit war Kunst etwas exklusives. Elitär. Dem Bildungsbürgertum vorbehalten. Zeichen von Status, gut gehütet in Museen und privaten Sammlungen. Heute begegnet sie uns auf Notizbüchern, Bausets und Designer-T-Shirts. Sie ist Lifestyle, Statement und Business zugleich. Das Schlagwort heißt Art Licensing, und es verändert die Welt der Kunst-Marken, Museen und Hersteller.

Von der Wand ins Warenregal

Museen wie die Tate Modern oder das British Museum zeigen, wie man Kultur kommerziell kuratiert. Ihre Shops sind längst keine Souvenirabteilungen mehr, sondern Design-Boutiquen mit klarer Markenidentität. Ob Kandinsky auf dem Kaffeebecher oder antike Skulpturen als 3D-Puzzle: Kunst wird zum greifbaren Erlebnis.
Die Institutionen verstehen sich zunehmend als Brand Owner, die ihre Bildrechte strategisch nutzen, Kooperationen eingehen und ganze Lifestyle-Kollektionen entwickeln. So entsteht aus Kultur ein Wirtschaftsfaktor. Und aus Museumsbesuchern werden Markenfans.

Wenn Van Gogh zu LEGO wird

Eines der erfolgreichsten Beispiele jüngerer Zeit stammt aus der Spielwarenbranche: LEGO Ideas – The Starry Night. Das ikonische Werk von Vincent van Gogh, umgesetzt aus 2.300 LEGO-Steinen, wurde zum Bestseller unter Erwachsenenfans. Das Set entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Ein Paradebeispiel für Art Licensing mit Mehrwert:

Das Produkt vereint Kreativität, Bildung und Kunstverständnis.

Es erreicht neue Zielgruppen – jenseits des klassischen LEGO-Publikums.

Und es steigert gleichzeitig die Strahlkraft beider Marken: LEGO und MoMA.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/07cb1bd86ae4d4856d2ecc7856175e4c813f3fc4-1398x900.png

Die Kunst der kleinen Dinge

Auch im Stationery- und Geschenkartikelmarkt zeigt sich das Potenzial des Art Licensing.
Der britische Verlag The Art File oder das Label Rifle Paper Co. arbeiten regelmäßig mit Künstler:innen, Galerien und Nachlässen zusammen, um exklusive Kollektionen zu gestalten, von Kalendern über Karten bis hin zu Geschenkverpackungen.
In Deutschland bringt der Verlag teNeues Werke von Claude Monet oder Gustav Klimt auf Notizbücher, während HeyePuzzle-Kollektionen mit Motiven von Hundertwasser oder Alphonse Mucha anbietet. Kunst zum Anfassen, Stück für Stück.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/f454d3d1a28da140edd0c0bcbcd5f22a3bcc9cc3-5616x3744.jpg

Die Kunst der Illustration

Ein besonderes Kapitel im Art Licensing schreibt die Illustration. Sie wird oft unterschätzt, ist aber zentral für viele Erfolgsgeschichten der Lizenzwelt.
Ob in Kinderbüchern, Brettspielen oder Sammelfiguren: Die gezeichnete Handschrift einer Illustratorin oder eines Illustrators prägt den visuellen Charakter einer Marke von Anfang an.
Klassische Beispiele:

Beatrix Potter – deren Figuren wie Peter Rabbit vom Buch bis zum Plüschtier lizenziert wurden.

Eric CarleThe Very Hungry Caterpillar („Die kleine Raupe Nimmersatt“) ist längst ein globales Lizenzuniversum mit Spielzeug, Mode und Lernmaterialien.

Axel Scheffler – der Illustrator des Grüffelo ist zum Synonym für einen Stil geworden, der auf Spielen, Tassen oder Kleidung wiederkehrt.

Illustration ist Kunst im Dienste des Storytellings und damit ein Türöffner für crossmediale Markenentwicklung. Sobald ein Buch, Spiel oder Charakter zündet, wird aus der Illustration eine Bildmarke, aus der Kunst ein Lizenzgeschäft.

Ikonen als Marken

Einige Künstler:innen sind längst selbst zu globalen Brands geworden.

Frida Kahlo – von der Malerin zur feministischen Ikone, deren Bildsprache auf Schmuck, Mode und Interior wiederkehrt.

Keith Haring – sein grafischer Stil steht für Urban Culture und soziale Botschaft, lizenziert von der Keith Haring Foundation.

Jeff Koons – mit seinen Ballonhunden schafft er den Spagat zwischen Hochkunst und Popkultur.

Für Marken ist die Zusammenarbeit mit solchen Ikonen attraktiv: Sie verleihen Produkten kulturelle Tiefe und schaffen Differenzierung in einem gesättigten Markt.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/05bed8224a2ba3f466ae4e064f3c5e6dad8edb26-646x646.webp

Rechtliche Rahmenbedingungen: Wann Kunst frei wird

Nicht jedes Kunstwerk darf einfach auf ein T-Shirt gedruckt werden. Das Urheberrecht schützt das Werk bis 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers oder der Künstlerin. Danach ist es gemeinfrei, darf also grundsätzlich frei verwendet werden.
Ohne diese Gemeinfreiheit wäre unser kulturelles Erbe stark eingeschränkt: Schulbücher, Dokumentationen, Theateraufführungen, Filme oder Websites hätten rechtliche Probleme, kulturelle Wurzeln zugänglich zu machen. Die Gemeinfreiheit ist also essentieller Bestandteil einer offenen und demokratischen Wissensgesellschaft.
Aber:

Museen oder Fotograf:innen können Rechte an Reproduktionen besitzen.

Markenrecht kann greifen, wenn ein Name oder Motiv geschützt wurde (wie bei „Frida Kahlo“).

Moralische Rechte des Urhebers, etwa der Schutz vor Entstellung des Werks, gelten in vielen Ländern dauerhaft.

Hier lohnt sich für Hersteller und Lizenznehmer immer eine juristische Prüfung oder die Zusammenarbeit mit spezialisierten Agenturen.

Neue Chancen für den Lizenzmarkt

Art Licensing verbindet zwei Welten, die sich früher selten begegneten: die emotionale Strahlkraft der Kunst mit der Marktdynamik des Handels.
Für die Branche ergeben sich daraus gleich mehrere Chancen:

Kulturelles Storytelling: Produkte mit Geschichte und Haltung.

Premiumisierung: Kunst hebt Marken in ein höheres Wahrnehmungslevel.

Nachhaltiger Konsum: Kultur statt Kitsch – langlebige Produkte mit emotionalem Wert.

Neue Zielgruppen: Kunst spricht Designliebhaber, Sammler und bewusste Konsument:innen gleichermaßen an.

Art Licensing ist mehr als ein Trend. Es ist eine Form von Markenbildung.
Ob LEGO, teNeues oder der Grüffelo: Wer Kunst in den Alltag bringt, verleiht Produkten Seele.
Zwischen Pinselstrich, Pixel und Produktdesign entsteht ein Raum, in dem Kultur lebendig bleibt und Wirtschaft kreativ wird.

Die Marken-Agentur little big things beschäftigt sich seit 15 Jahren mit der Entwicklung und Positionierung von Produkten und Marken. Seit September 2025 hosten die GründerInnen Eva Stemmer und Joerg Meister zusätzlich den LinkedIn-Kanal "Collab Culture“, auf dem ein Blick hinter Marken, Lizenzen und Kooperationen geworfen wird.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/f7d601fa3429b6e92dcc8c4f16b3b34308dfe856-4700x796.jpg