Der stationäre Einzelhandel in der Spielwarenbranche: Interview mit Max Nachtsheim (Nerdy Terdy World)

11.9.2025 BRANDORA
Spielwaren

Gut sortierte, attraktiv gestaltete Spielwarenläden werden im Zeitalter des Online-Handels immer mehr zur Seltenheit – insbesondere, wenn sie zu keiner großen Kaufhauskette gehören. Ob sich die Miete lohnt, fragt sich früher oder später jeder Betreiber. Max Nachtsheim führt seinen Laden „Nerdy Terdy World“ im südhessischen Rodgau erfolgreich. Vor allem, weil er die Vorteile von Online- und stationärem Handel geschickt miteinander verknüpft.

  • Max, du bist mit deinem Geschäft im Frühling 2025 an eine neue Adresse gezogen. Wie hat sich dadurch das stationäre Einkaufserlebnis verändert – und wie wichtig ist der physische Standort heutzutage für Nerdy Terdy World?

Eigentlich war es gar nicht mehr geplant, dass wir nochmal einen Laden aufmachen aber dann hat die Location das hergegeben. Der Laden ist ein bisschen kleiner, aber meiner Meinung nach mindestens genau so schön. Natürlich ist so eine Lage im Industriegebiet aber auch weit ab vom Schuss: Die Leute kommen nur gezielt zu uns, so etwas wie Laufkundschaft haben wir jetzt quasi nicht mehr. Die war davor allerdings auch nicht so riesig, wie man eventuell denkt. So richtig wichtig ist der Laden nicht, da er nur 5% unseres Umsatzes ausmacht. Ich sehe es eher als schönen Zusatz und Erlebnis für Leute, die tief mit dem Onlineshop Nerdy Terdy Gang (NTG) verbunden sind. Die wollen einfach mal die Experience haben und die bieten wir ihnen nach wie vor durch unseren Store.

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  • Wie entscheidend ist ein ansprechendes und einladendes Ladendesign, von Funko-Automat vorm Store bis hin zu kuratierten Themenwelten im Interior, für den Erfolg – und wie wirkt sich das auf Kundenbindung und Online-Interesse aus?

Da die Welt heute via Instagram und TikTok funktioniert, ist es nicht unwichtig, seinen Laden und die dazugehörigen Features dementsprechend zu gestalten. Fotospots, Specials wie der Funko Automat etc. sind wichtig - hatten aber auch nicht den Buzz, den man vielleicht erwartet hat. Das liegt dann eben doch am Standort. Die viralen Videos sorgen nicht zwingend dafür, dass Leute sich nach Rodgau bewegen. Das ist eventuell auch nachvollziehbar. Aber die Gestaltung und das Sortiment sind in der heutigen Zeit sehr wichtig, wenn man Aufmerksamkeit auf sich ziehen möchte. Zudem ist es mir aber davon unabhängig so oder so wichtig. Ich finde einen schönen Laden - gerade im Nerdsektor - extrem wichtig.

  • Dein Onlineshop ergänzt das stationäre Angebot, etwa durch Abholung im Laden oder Lieferung. In wie weit ist der Online-Vertrieb ein Ergänzungs- oder sogar Wachstumstreiber für den Einzelhandel?

Der Onlinehandel ist ein Wegweiser zum Shop und ein weiteres Werbemittel wenn man so möchte. Und es ist auch immer schön für Leute im Netz zu sehen, dass es auch einen echten Laden gibt. Das nimmt Scam- oder Fakevorwürfen sehr viel Wind aus den Segeln. Aber man muss realistisch bleiben: Der Onlineshop ist das Main-Business und der stationäre Laden nur die Ergänzung, nicht andersrum. Ohne Onlinehandel hätten wir keinen Store, das würde sich nicht rentieren.

  • Mit über Tausend Artikeln aus unterschiedlichsten Nerd-Bereichen (Funko, Trading Cards, Kleidung etc.) – wie gewichtest du bei dir das Sortiment zwischen stationären Highlights und digitalen Angeboten? Gibt es bewusst Produkte, die nur online verfügbar oder nur im Laden erhältlich sind?

Nein, das Angebot ist exakt Deckungsgleich, allerdings gehen wir natürlich stark auf die Option der Vorbestellung. In der heutigen Zeit, wo Toys nicht oberste Prio haben und die Einkaufspreise leider stellenweise eine Frechheit sind, kann man als kleiner Store kein Risiko eingehen. Was in der Pre Order gut läuft, bekommt auch einen kleinen Vorrat für den Store. Was niemand kauft, wird gar nicht erst ins physische Sortiment aufgenommen. So läuft man risikofreier als noch vor ein paar Jahren.

  • Du bist persönlich häufig vor Ort für Beratung, Fachsimpeln und Events. Wie wichtig ist diese direkte persönliche Arbeit für die Communitybindung – und wie lässt sie sich mit deinen Online-Aktivitäten wie Social Media oder Web‐Angeboten kombinieren?

Ich nehme mich vor Ort immer mehr raus, weil ich auch inzwischen den gesamten Onlineshop befülle und gestalte sowie den Kundenservice übernehme. Wenn ich da bin, berate ich auch gern. Aber das soll nur noch ein netter Zusatz sein, kein dauerhafter Zustand. Ich bin auf zu vielen Hochzeiten unterwegs als dass ich NTG zu einem Vollzeitprojekt machen kann.

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  • Wenn du heute deine Strategie für stationären Handel und Online-Business betrachtest: Wie sollte sich der moderne Einzelhandel generell aufstellen, um beide Welten optimal zu verbinden – basierend auf deinen Erfahrungen mit Nerdy Terdy World?

Eigentlich exakt das, was ich in der vorletzten Antwort schon gesagt habe: Sich mit dem Modell der Pre Order eine Übersicht verschaffen, was die Kund*innen so mögen und was nicht. Man muss den Markt beobachten. Was hat Hype, was ist gerade groß, etc. Social Media ist ein wichtiger Faktor, die man nicht vernachlässigen darf. Ein Laden nur dann, wenn er auch etwas besonderes ist und einen Mehrwert bietet.