Die wachsende Popularität von Sammlerstücken: Spielwaren werden zur Geldanlage

17.10.2024 BRANDORA
Spielwaren
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Ob Schmuckstück in der Sammlung eines Liebhabers oder Opportunität eines Investors: Exklusive Spielwaren weisen teils bemerkenswerte Wertentwicklung auf. Doch wie erreichen Hersteller die gebotene Exklusivität?

Spätestens wenn jemand aus dem Bekanntenkreis erzählt, er habe einen seiner LEGO Todessterne verkaufen müssen, um das eigene Wohnhaus endlich verputzen zu können, wird man aufmerksam. In weiser Voraussicht habe er schon vor Jahren den Bausatz gleich in achtfacher Ausfertigung erworben und in der Originalfolie an einem sicheren Ort gelagert. Wohlwissend, dass man die Pakete im Bedarfsfall für ein Vielfaches würde versteigern können.

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Sammler oder Trader?

Niemand käme auf die Idee, dass einer dieser acht Todessterne jemals tatsächlich aufgebaut würde. Wer einen vierstelligen Betrag in Spielwaren investiert, der hat nicht vor, die Schutzfolie zu entfernen. Dieses Sammlerstück-Phänomen wird in einer Episode der nerdigen Sitcom „The Big Bang Theory“ humoristisch aufgegriffen, als die beiden Vorzeige-Kidults Leonard und Sheldon original verpackte Mr. Spock Actionfiguren geschenkt bekommen. Zur großen Enttäuschung der schenkenden stellen sie sofort klar, dass sie die Figuren niemals aus der Verpackung holen werden. Ober-Nerd Sheldon wird jedoch schon bald von der Original-Stimme von Spock-Darsteller Leonard Nimoy im Schlaf heimgesucht: „Ich bin ein Spielzeug. Nicht mit mir zu spielen, wäre demnach unlogisch“.

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Natürlich haben die beiden Charaktere hier keinerlei finanzielles Interesse. Sprich: Ein Weiterverkauf käme für sie nicht in Frage. Vielmehr freuen sie sich über ein weiteres Schmuckstück in ihrer Sammlung. Auf den Unterschied zwischen Sammlern und Tradern sowie das Spannungsfeld, was daraus entsteht, kommen wir später noch zu sprechen.

Die wahre Kraft des Todessterns

Zunächst noch einmal zurück zum angesprochenen LEGO Todesstern. Wir sprechen hier von einer handfesten Geldanlage. Und zwar von einer extrem profitablen. Genauer gesagt: Bei einer Investition von 600 Euro konnte man das gute Stück wenige Jahre später für circa 5.000 Euro wieder loswerden. Eine Wertsteigerung also von über 700 Prozent. Ohne nennenswertes Risiko, ohne zeitaufwändiges Daytrading und mit überschaubarer benötigter Expertise. Mit anderen Assetklassen wie Aktien, Immobilien oder Geldwerten lässt sich dies innerhalb weniger Jahre nur sehr schwer realisieren.

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Dass mit Klemmbausteinen eine solche Bilanz möglich wurde, ist die Folge einer hervorragenden Markenführung und hauptsächlich zurückzuführen auf die drei Faktoren Markenwert, Nostalgie und Seltenheit. Beim erstgenannten Faktor verfügen natürlich beide Marken über eine Vielzahl von treuen Fans und Stammkunden, die über die Jahrzehnte eine extrem hohe emotionale Bindung aufgebaut haben. Beim Nostalgie-Faktor spielt den Kooperationspartnern in die Hände, dass es sich hier um das (gemeinsam mit dem Millennium Falcon) beliebteste und markanteste Raumschiff der so beliebten Original-Filmtrilogie von Star Wars handelt, welche die heutige Väter- beziehungsweise Großväter-Generation in ihren Bann gezogen hat – und die genau deswegen der zentrale Hebel für die Kaufkraft ist, von der die Marke noch heute zehrt. Der Todesstern ist längst ein Teil populärkultureller Geschichte geworden. Quasi eine IP in der IP.

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Der Dreiklang des perfekten Sammlerstücks

Und schließlich kommt noch der Faktor Seltenheit. (Künstliche) Verknappung ist seit jeher ein Stilmittel, um Wertigkeit zu steigern. Dieses hat LEGO hier perfekt angewandt. Bei Redaktionsschluss war der Todesstern im offiziellen Onlineshop des dänischen Branchenführers nicht verfügbar. Allerdings standen auf Ebay wieder einige Modelle zum Verkauf – deren Preis sich binnen weniger Minuten von 929 auf 1.100 Euro gesteigert hat. Sollte LEGO den Todesstern jemals wieder neu in die Produktion geben, so wäre es gut möglich, dass der Ladenpreis über den damals aufgerufenen 600 Euro liegt.

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Dieser Fall hat „Best Practice“ Charakter und ist nicht von jedem Unternehmen mit jedem beliebigen Produkt kopierbar. Doch lohnt es sich immer, von den besten zu lernen. Wem es gelingt, an Lizenzen mit einem gewissen Nostalgie-Faktor zu kommen… wer seinen Markenwert durch ein Joint Venture erhöhen kann… und wer das Risiko einer kleineren Auflage in der Produktion zu tragen bereit ist – der hat prinzipiell die Hebel für eine ähnliche Erfolgsformel in der Hand.

Pokémon macht es mal wieder vor

Ein wohl noch mächtigeres Role Model bevölkert die Welt der Videospiele und hört auf den Namen Pokémon. Zumindest, wenn es nach Wertsteigerung geht. Vor drei Jahren hat der Youtuber „MontanaBlack“ einen Hype losgetreten, als er berichtete, für sein Gameboyspiel der „Gelben Edition“ von 1999 ein Kaufgebot von 45.000 Euro erhalten und dies abgelehnt zu haben.

Eine zuvor kleine Szene von Liebhabern wurde plötzlich von einer Invasion von Resellern geflutet, die hofften, mit dem An- und Verkauf von sogenannten „Sealed Games“ die schnelle Mark zu verdienen. Doch greifen hier natürlich die üblichen Mechanismen: Viele Player verwässern den Markt und es wird für alle Beteiligten immer schwerer, an wertige Objekte heranzukommen. Die noch eingeschweißten Videospiele kann man an spezielle „Rating-Agenturen“ in den USA senden, um den Zustand bewerten zu lassen. In Discord-Foren tauscht sich die Szene aus.

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Die teuerste Sammelkarte der Welt

Um ein noch absurderes Preisniveau zu finden, als bei MontanaBlack gesehen, muss man den Pokémon-Kosmos nicht verlassen, lediglich wieder die analoge Ebene betreten. Sammelkarten haben allgemein enormes Potential, um durch Verknappung eine hohe Nachfrage zu erzeugen. Doch Pokémon hat dies wieder einmal in Perfektion exerziert. Der US-Amerikanische Influencer und Wrestler Logan Paul machte 2022 mit zwei Videos auf sich aufmerksam. In einem gestand er seinen Fans, dass er bislang stattliche 3,5 Millionen US-Dollar durch den Kauf gefälschter Pokémon-Sammelkarten verloren habe. Im anderen erzählt er per Videotagebuch eine Abenteuergeschichte, die damit endet, dass er die wertvollste Sammelkarte der Welt erwirbt. Kostenpunkt: 5,3 Millionen US-Dollar. Paul erhielt daraufhin einen Eintrag ins Guiness-Buch und gründete die Plattform Liquid Marketplace, auf der Jedermann Anteile an derartigen Sammlerstücken erwerben können.

Das Prinzip entspricht also einem Fonds – wieder ein Indiz, dass Sammlerstücke längst ein Teil des Kapitalmarkts sind. Konsequenterweise listet die Sparkassengruppe sie auf ihren Investor-Informationsseiten als sechste Assetklasse nach Aktien, dem Geldmarkt, Anleihen, Immobilien und Rohstoffen.

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Doch zum einen nennt die traditionelle Finanzinstitution zwar Rotweine, Kunstwerke, Oldtimer und gleich zweimal Turnschuhe, nicht aber Spielwaren als Beispiele. Zum anderen spürt man beim Lesen förmlich die Skepsis der eher als konservativ geltenden Sparkasse. Von riskanter Wertentwicklung über Illiquidität bis hin zu kostspieliger Lagerung und schwer zu findenden Käufern werden diverse Gegenargumente aufgeführt. Die tapferen, die den Passus dennoch durchlesen, sollen wohl mit einem „Letztlich müssen Sie es selbst wissen“ endgültig abgeschreckt werden.

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Als Assetklasse etabliert – und irgendwie doch nicht

Doch auch wenn die Sparkasse weiterhin als grundsolide Quelle angesehen werden kann, sind diese Ausführungen doch zu relativieren. Denn erstens sind sie interessengetrieben. Schließlich werden die hauseigenen Berater auf absehbare Zeit nicht in den Handel mit Sammlerstücken einsteigen und können sie daher nicht ins Privatkunden-Portfolio aufnehmen. Zweitens schaue man sich die genannten Nachteile nochmals an und gleiche sie mit unserem Beispiel vom LEGO Todesstern ab. Zumindest die positive Tendenz seiner Wertentwicklung vorherzusagen, war sicherlich keine Kunst. Und auch die Lagerung lässt sich, zumindest für Sesshafte, einigermaßen stemmen.

Hier stellt sich übrigens die Frage, ob der allseits verfolgte und ohne Zweifel vorbildliche Zweck der Nachhaltigkeit einen Interessenkonflikt zum Sammlerwert birgt. Denn der Trend geht zu weniger Verpackung. Und so umweltschädlich Plastik auch ist, so stabil ist es oftmals. Viele Hersteller lassen bereits die Folie weg und entwickeln stattdessen alternative Versiegelungen. Macken, die möglicherweise schon bei der Anlieferung zum Großhandel entstehen könnten, wären Gift für Objekte mit Wertentwicklungspotential. Doch vielleicht bleibt dies auch nur ein Nischenthema.

Vom Musikmarkt lernen

Ein progressiver Ansatz könnte sich noch an Sammler mehr als an die Trader wenden. Denn ein weiteres Stilmittel, um Wertigkeit zu schaffen, sind handgefertigte oder personalisierte Güter. Man denke an den Musikmarkt, wo Fans bereitwillig extrem hohe Preise für Limited Editions bezahlen, wenn diese beispielsweise Autogramme oder eine Seriennummer beinhalten. Und das, obwohl das physische Produkt in Zeiten von Spotify eigentlich längst ausgedient hat.

Auch im Spielwaren- oder speziell im Brettspiele-Markt schlummert Liebhaber-Potential. Dieses gilt es nur zu heben. Man stelle sich vor, der Sonder-Edition eines Brettspiels mit antikem Setting würde ein Brief auf Pergament beiliegen, dass etwa von Reiner Knizia persönlich unterzeichnet ist. Allerdings kommt er hier auf kreative Marketing-Abteilungen in den Verlagen an. Die Wertsteigerung wäre so unsicher nicht.

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Der BRANDORA Fachartikel Service ist eine Plattform, die sich auf die Themen der Spielwarenindustrie spezialisiert hat. Einmal im Monat widmet sich die Redaktion der "Spielwaren Insights" einem Leitthema, das intensiv recherchiert und beleuchtet wird. Die Redaktion stellt Fragen und sucht nach Antworten, um ein umfassendes Bild des Themas zu erhalten. Dabei geht es nicht nur um die reinen Fakten, sondern auch um die Meinungen und Ansichten von Experten und Beteiligten in der Branche.

Ziel ist es, einen Dialog innerhalb der Branche zu schaffen und wichtige Themen aufzugreifen, die für die Zukunft der Spielwarenindustrie von Bedeutung sind.

Der BRANDORA Fachartikel Service versteht sich als unabhängige Plattform, die objektiv und kritisch über Themen berichtet und diskutiert. Dabei werden sowohl positive als auch negative Aspekte beleuchtet und hinterfragt.

Ein Bericht von Jan Herzmann

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