Genderneutrales Spielzeug: Die Branche geht den Weg mit

26.4.2024 BRANDORA
Spielwaren
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Die Diskussion um das Gendern ist allgegenwärtigen und spaltet die Gesellschaft in zwei Lager. Was die einen als Errungenschaft des aufgeklärten Menschen feiern, ist für die anderen eine woke Zumutung. Jedoch wird das Aufbrechen von stereotypen Geschlechterrollen immer wichtiger. Insbesondere die Spielzeugbranche stellt dabei einen wichtigen Faktor dar, der bisher Kinder bereits in frühen Jahren geschlechterspezifisch geprägt hat. Aber warum ist es gerade jetzt wichtig, diese Stereotypen herauszufordern?

In die Rolle hineingepresst

Jungen sind handwerklich begabt, sind stark im räumlichen Denken und tendieren zum Wettstreit. Mädchen hingegen sollen artig, harmonieorientiert, hübsch und hilfsbereit sein. Wenn man sich diese Rollenaufteilung anschaut, merkt man ziemlich schnell, dass sie heutzutage nicht mehr zeitgemäß ist. Dennoch werden Kinder auch weiterhin durch den gesellschaftlichen Druck und von den Eltern in diese Stereotypen hineingepresst. Auch die Spielwaren-Industrie hat ihren Beitrag dazu geleistet. So gibt es beispielsweise Matchbox-Rennautos für die Jungen und für die Mädchen eine BABY born-Puppe, mit der sie schonmal die Rolle als Mutter üben können. Aber ist das richtig so?

Vermutlich eher nicht, denn so leiden vor allem Mädchen unter diesem Perfektionsdruck. Eine Umfrage der Lego-Gruppe hat gezeigt, dass 80 Prozent der Mädchen weltweit unter weiblichen Rollenbildern leiden. Aber auch Jungen, die z.B. mit rosa Bauklötzen oder viel lieber mit einer Barbie-Puppe spielen würden, leiden darunter. So werden sie von anderen als Mädchen betitelt und von den Vätern in den Spielgruppen schief angeschaut. Doch wie soll man diese Klischees aufbrechen und gleichzeitig den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen? Ein Balanceakt, der nicht so einfach zu leisten ist. Die Spielzeugbranche hat einen konkreten Ansatz gefunden, der auch immer weiter ausgebaut wird. Natürlich sprechen wir von genderneutralem Spielzeug.

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Stereotypen nicht erwünscht

Der Begriff „genderneutral“ bzw. „geschlechtsneutral“ bedeutet, dass z.B. ein Spielzeug mit keinem bestimmten Geschlecht assoziiert werden kann. So brechen diese Spielzeuge lange festgefahrene Strukturen auf und erlauben es Kindern, auch abseits der Norm zu denken. Die Kinderbücher „Berufe sind für alle da“ oder „Gefühle sind für alle da“ von Susann Hoffmann leisten hier etwa Pionierarbeit. Einige Hersteller achten auch mittlerweile darauf, keine spezifischen Farben wie Rosa oder ein knalliges Rot für die diversen Spielzeuge zu nutzen. Über allem steht das Ziel, Spielzeug herzustellen, das allen Spaß macht, die Kreativität fördert und es den Kindern ermöglicht, sich so zu entwickeln, wie sie es wollen.

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Hersteller wie Kindsgut oder auch HABA gehen bereits mit gutem Beispiel voran. So konzentrieren sich beide Firmen darauf, ihre pädagogisch wertvollen Spielsachen möglichst für jedes Kind anzubieten. Sei es, indem man neutrale Farben nutzt, genderneutrale Verpackungen verwendet oder aber auch Spielsituationen schafft, in denen althergebrachte Strukturen aufgebrochen werden. Das „Creative Play 3in1 – Küche, Kaufladen & Werkstatt“-Set wurde just in der Kategorie „Alles fürs Kinderherz“ für den Deutschen Spielzeugpreis nominiert. Ob Einkaufswagen oder Bohrmaschine – die Kombi-Station lässt Kinder völlig frei und ohne Zwang in die verschiedensten Rollen schlüpfen. Die gespielten Alltagssituationen fördern spielerisch das individuelle Interesse der Kinder.

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Auch der Branchen-Riese Lego versucht sich daran, geschlechterneutrale Bau-Sets anzubieten. Das klappt vor allem im Geschäftsbereich Duplo schon sehr gut. Lego bietet hier verschiedene Grundsteinsets, wie z.B. „Meine riesige Welt“ an, die eine bunte Vielfalt an verschiedenen Standardsteinen bieten. Aber auch Bausätze wie der „ABC-Lastwagen“ sind für jedes Kind geeignet. Zudem bricht man in verschiedenen Veröffentlichungen die typischen Geschlechterrollen auf, so liegt dem Feuerwehreinsatzfahrzeug eine weibliche Figur für das Steuer bei.

Doch das Beispiel Lego zeigt auch, wie unsicher die Branche in Bezug auf genderneutrales Spielzeug noch ist. So bedient das Unternehmen natürlich auch weiter typische Rollenbilder, wenn z.B. für Jungen Ninjas, Ritterburgen und Superhelden und auch unter der Marke Duplo für Mädchen Disney und vor allem Friends-Sets angeboten werden.

Das größte Problem dürfte hier die Zweifel sein, welche Zielgruppe man mit den genderneutralen Spielzeugen erreicht. Da es noch zu wenige Erfahrungswerte gibt, an denen sich die Branche orientieren kann, fährt man lieber zweigleisig. Natürlich sind solch progressive Ansätze auch darauf angewiesen, dass Eltern den Weg mitgehen. Um eine freie Entfaltung der kommenden Generationen, fernab von verstaubten Rollenbildern, zu ermöglichen, braucht es ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage

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Natürlich war früher längst nicht alles schlecht und gewisse Elemente der „alten Welt“ bleiben zeitlos. Jungen spielen oftmals tatsächlich gerne mit Autos oder Ritterburgen und Mädchen mit Barbie-Puppen und Kuscheltieren. Es ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen, dass Kinder bereits im jungen Alter eine Neigung haben und durch diese in ihrem Spielverhalten geprägt werden. Das bestätigt etwa die Psychologin Doris Bischof-Köhler in ihrem Standardwerk „Von Natur aus anders. Die Psychologie der Geschlechtsunterschiede“. Wenn man diese Neigungen vertieft, ist natürlich klar, dass die Kinder dann nur zu bestimmten Spielzeugen greifen werden.

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Der richtige Weg?

Genau hier setzt die Branche bereits an. Mit genderneutralen frühkindlichen Spielsachen, z.B. von Kindsgut werden Kinder in ihrer Kreativität und im Entdecken gefördert. Der Wandel ist bereits im Gange, allerdings braucht so etwas ja auch Zeit. Die Frage, was umgewälzt gehört und an welchen Werten und alten Mustern man festhalten sollte, muss mit Umsicht austariert werden. Dennoch stellen sich die Spielzeughersteller dieser Herausforderung. Ob wir langfristig zu einem zweigleisigen Modell kommen oder inwiefern sich die Prinzipien der Genderneutralität großflächig durchsetzen, bleibt abzuwarten und ist auch immer von der gesellschaftlichen Tendenz abhängig. Bis auf weiteres legt die Branche ein hohes Maß an Courage an den Tag, indem sie einen Weg mitgeht, an dessen Ziel die Gesellschaft noch längst nicht angekommen ist…

Der BRANDORA Editorial Service ist eine Plattform, die sich auf die Themen der Lizenzbranche spezialisiert hat. Einmal im Monat widmet sich die Redaktion der "Licensing Post" einem Leitthema, das intensiv recherchiert und beleuchtet wird. Die Redaktion stellt Fragen und sucht nach Antworten, um ein umfassendes Bild des Themas zu erhalten. Dabei geht es nicht nur um die reinen Fakten, sondern auch um die Meinungen und Ansichten von Experten und Beteiligten in der Branche.

Ziel ist es, einen Dialog innerhalb der Branche zu schaffen und wichtige Themen aufzugreifen, die für die Zukunft der Lizenzbranche von Bedeutung sind.

Der BRANDORA Editorial Service versteht sich als unabhängige Plattform, die objektiv und kritisch über Themen berichtet und diskutiert. Dabei werden sowohl positive als auch negative Aspekte beleuchtet und hinterfragt.

Von unserer Redakteur Michael Buhtz

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