Innovationen im Produktdesign durch Lizensierung

Ob Entertainment, Sport, Food oder Gaming: Gute Marken können ungeahntes Potenzial entfalten, wenn sie mit ein wenig Innovationsgeist neu ausgerichtet werden. So manche Erfolgsgeschichte lässt sich bestaunen. Wer genau hinschaut, kann das eine oder andere Muster ableiten.
Ein Szenario, von dem jeder Kreative in der Lizenzbranche träumt: Ein Brainstorming wurde angesetzt, denn wichtige Entscheider finden, dass eine etablierte IP endlich wieder frischen Wind braucht. Schön und gut bis hierher aber das kann noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Da steckt noch Potenzial drin. Innovative Ideen sind gefragt.
Nachdem das gesamte Team sich die Köpfe zerbrochen hat und jede noch so unwahrscheinliche Produktidee irgendwann einmal in die Runde geschmissen wurde, kommt plötzlich der Geistesblitz: Die IP bekommt einen ganz neuen Anstrich. Die übliche Lesart wird durchbrochen, erweitert, neu gedacht. Wir kitzeln Aspekte aus unserer Lizenz heraus, an die bislang noch kaum jemand gedacht hat.
Schon einige Male ist es pfiffigen Lizenzmanagern gelungen, durch Umdeutung einer Marke komplett neue Käuferschichten zu erschließen oder die alten in unerhoffter Weiser zu reaktivieren. Kunden und Öffentlichkeit werden überrascht und gleichzeitig fühlen sich die daraus resultierenden Produkte so logisch an, dass man sich fragen mag, warum nicht schon früher jemand auf die Idee gekommen ist. Wie das geht? Nun ja, gäbe es für solche Erfolgsgeschichten ein Schema F, dann würde es jeder machen – was wiederum den Effekt ad absurdum führen würde. Bei näherem Hinsehen lassen sich aber durchaus grobe Muster erkennen.

Weinende Mädchen und gruselige Schildkröten
Wer in den vergangenen Monaten in Südostasien unterwegs war, kam an weinenden Puppen im knuffigen Kleinkind-Look nicht vorbei. Die Handelskette Pop Mart hatte die beliebten Power Puff Girls in ihre Produktlinie „Cry Baby“ integriert. Die Cartoon-Charaktere, die schon Kraft ihres Namens seit jeher für Toughness und Vitalität standen, weinen plötzlich Rotz und Wasser. Und jeder will sie haben. Parallelen zu Studio 100, das seine Anime-Dauerbrennerin Heidi von der gesund-rotbäckigen Alpenbewohnerin kurzerhand zur „Homesick Heidi“ machte, sind nicht von der Hand zu weisen.
Von fröhlich zu traurig – das war ganz offensichtlich ein Trend der letzten Jahre. Von drollig zu düster geht häufig auch ganz gut. Die Teenage Mutant Hero Turtles standen als Cartoon-Serie in den 80er und 90er Jahren immer auch für eine mächtige Prise Humor und trotz der Kampfsport-Thematik kam in den Episoden niemals jemand wirklich zu Schaden. Doch die Turtles-Fans von damals sind mittlerweile erwachsen geworden. Und somit auch zahlungsfähig. Im Kontext mit der allgemeinen Nostalgie-Welle und der mittlerweile bekannten Käuferschicht der Kidults gilt es daher als Kunstgriff, wie Universal die lustigen Schildkröten plötzlich im Horror-Look als Mumie oder Frankensteins Monster auflaufen ließ.
Noch einen Schritt weiter gingen die Macher von „Winnie the Pooh – Blood and Honey“. Da die Urheberrechte zu „Pu der Bär“ 2022 ausgelaufen waren, strickte das Produktionsteam um Regisseur Rhys Frake-Waterfield einen Slasher-Film rund um die beliebte Kinderbuch-Figur. Der Independent-Streifen floppte. Ob mit einem lizenz-erfahrenen und solventen Studio im Rücken mehr möglich gewesen wäre, bleibt offen.

Yoda zurück in der Marken-Ruhmeshalle
Doch das Spiel lässt sich auch andersrum spielen und so können vormals „erwachsene“ IPs erfolgreich in kindgerechte Formen gegossen werden. Der Disney-Konzern besitzt die Star-Wars-Rechte nun schon einige Jahre, tat sich aber lange extrem schwer daran, eine neue Figur mit Cuteness-Faktor zu etablieren, die die heutige Kindergeneration den Verkäufern aus den Händen reißen würde – egal ob in Plüsch- oder Plastikform. Die Lösung war kein neuer Charakter. Stattdessen wurde für die Serie „Mandalorian“ der früher mal erhabene Yedi-Großmeister Yoda nun als „Baby Yoda“ zurückgebracht – und hat es damit schon zum zweiten Mal in die Ruhmeshalle der westlichen Popkultur geschafft.

Auch im Sportmarketing funktionieren solche Mechanismen, denn die NFL wird ebenfalls knuffiger. Die American-Football-Organisation soll nicht mehr nur mit harten Tacklings, undurchsichtigen Regeln und knappen Cheerleader-Röcken in Verbindung gebracht werden. Die Kooperation mit dem Benjamin-Blümchen-Franchise gibt ihr einen deutlich familienfreundlicheren Anstrich. Pappa soll sich für die Spiele nicht länger in seine „Man Cave“ zurückziehen. Den Super Bowl kann man auch entspannt mit den Kindern feiern (die Zeitverschiebung mal außen vor gelassen). Mit dem Sweatshirt, das im Rahmen dieser Kooperation entstand, ist man in jedem Kindergarten ganz vorn dabei.

Des Teenys neue Food-Kleider
A propos: Mit ein bisschen Fantasie können dieser Tage auch klassische Marken aus dem Food-Sektor neu aufleben. Vor einigen Jahren hätte wohl kaum jemand gedacht, dass sich Jugendliche in vollstem Wohlbefinden T-Shirts und Trainingsjacken mit dominantem Logo von Heinz oder Coca Cola unters Volk mischen. Doch die Lizenz-Kooperationen mit Kate Spade beziehungsweise Hollister haben den Beweis erbracht.
Auch wenn zuletzt Nintendo und Ubisoft mit einer Kooperation überrascht haben, hat die Gaming-Branche hat den Vorteil, auf Kooperationspartner nicht unbedingt angewiesen zu sein. Es bedarf hier eher eines mutigen Autoren-Teams und versierten Designern, die neue Vorgaben treffend umsetzen können. So findet man allenthalben Beispiele, bei denen etablierte Brands umgeschrieben und dadurch neue Spannung entfacht wurde. Die erfolgreiche Serie Far Cry wurde im dritten Teil von einem auf Realismus bedachten Shooter zu einem cheesigen Eighties-Abenteuer, das den naiven Charme eines klassischen Stallone-Actionfilms atmete. Ubisoft hingegen verpasste seinem Prince of Persia, der vorher wie ein schillernder Aladin über Abgründe spran, im Titel „Warrior Within“ plötzlich einen düsteren Gothic-Look und ließ ihn mitKrummsäbeln und Ninja-Moves nun Untote und Dämonen aufmischen.
Ob man also geschickte Kooperationen eingeht, Erwartungshaltungen der Kunden durchkreuzt oder mit Fingerspitzengefühl die Tonleiter zwischen Eltern- und Kindergeneration hoch und runter spielt: Die Strategie muss schlüssig und auf das Produkt abgestimmt sein. Gelingt dies, so kann der Lebenszyklus von so mancher IP auf ungeahnte Dauer verlängert werden.
