KI als Marketing-Tool im Spielwarensektor: Interview mit Tomma Rabach

Wer eine Frage hat, der konsultiert die KI. Zumindest werden die gängigen Tools unter Eltern deutlich stärker genutzt als vom Rest der Gesellschaft. Für die Spielwarenbranche ist damit klar: Marketing muss neben den klassischen Kanälen auch auf ChatGPT & Co stattfinden. Wie das funktioniert, erklärt Tomma Rabach, Geschäftsführerin von rabach kommunikation, in unserem aktuellen Interview.
Frau Rabach, Kaufentscheidungen im Kleinkinder- und Spielwarensektor werden von Eltern getroffen, deren Altersspanne je nach genauer Definition von Generation X bis Gen Z reicht. Wie unterscheiden sich diese Generationen hinsichtlich ihrer Mediennutzung?
Beide Generationen sind komplex, doch ihr Medienverhalten bietet gerade für die Spielwarenbranche großes Potenzial.
Während Millennials unterschiedliche Medienformate situationsgerecht nutzen – von Fachartikeln bis Social Media – ausführlich recherchieren und viel Wert auf Glaubwürdigkeit und Empfehlungen legen, entscheidet die Gen Z deutlich spontaner, lässt sich stark von Communities beeinflussen und konsumiert Inhalte bevorzugt in Echtzeit – zum Beispiel über TikTok, Instagram Stories oder Kurzvideos. Der Unterschied zu den Millennials: Die Gen Z erwartet schnelle, direkt anwendbare Antworten. Damit vereint die heutige Elterngeneration Merkmale beider Gruppen und bewegt sich je nach Kontext zwischen Tiefenrecherche und Impulskonsum. Was sie gemeinsam haben: die selbstverständliche Nutzung digitaler Tools – inklusive Künstlicher Intelligenz. Während laut Forsa im Durchschnitt „nur“ 43 % der Deutschen KI als Suchmaschine nutzen, liegt der Anteil bei den genannten Generationen auch hierzulande deutlich höher: bei 78 % der 16- bis 35- Jährigen und 55 % der 36- bis 55-Jährigen. Diese Zahlen unterstreichen, wie relevant KI-Sichtbarkeit gerade für die Kids- und Familienbranche ist und zukünftig sicherlich noch zunehmen wird.
Heute soll es vor allem um die Nutzung von KI gehen. Warum ist es für Unternehmen so wichtig, sich hier entscheidend zu positionieren?
Lange Zeit galt: Wer bei Google auf den oberen Plätzen rangiert, ist sichtbar. Ergänzt durch gezielte Pressearbeit, Social Media Präsenz und klassische Werbung schien Markenwahrnehmung gut planbar. So die Theorie. Doch die digitale Informationssuche hat sich immens gewandelt. Mittlerweile geben KI-Tools wie ChatGPT, Gemini oder Perplexity den Ton an. Sie liefern Antworten, Empfehlungen und Orientierung – vor allem für Millennials und die Gen Z als aktuelle (und werdende) Elterngeneration. Doch nur die wenigsten Marken checken bislang regelmäßig ihre KI-Präsenz und prüfen, ob und inwiefern sie genannt werden. Auch rücken konkrete Antworten auf authentische Fragen der Zielgruppen häufig in den Hintergrund, während Marketingversprechen im Fokus stehen. Die eigene Expertise ist daher nicht immer sichtbar. Und die Chance, ein zielgruppenrelevantes Thema für sich zu besetzen, sinkt.
Ob Babytrage, Lauflernschuhe, Schultasche, Spielzeug- oder Einschlaftipp – wer in den Antworten von ChatGPT & Co. genannt wird, gewinnt Sichtbarkeit, Vertrauen und potenzielle Kund:innen. Doch dort landen nur Marken, deren Inhalte für Maschinen und Menschen relevant sind.
Ein Beispiel: Auf die Frage nach konkreten Produktempfehlungen im Bereich Spielwaren liefert ChatGPT Pro eine zusammenfassende Antwort, gestützt auf verschiedenen öffentlich zugänglichen Quellen. Dazu zählen redaktionelle Seiten wie eltern.de, familie.de und leben-und-erziehen.de, Testberichte von ÖKO-Test und Stiftung Warentest sowie Plattformen mit Nutzerbewertungen: Amazon, Smyths Toys, babymarkt.de, mytoys.de etc. Auch Artikel aus Fachzeitschriften und damit Empfehlungen aus Handel, Industrie und Pädagogik sind relevant. Aussagen von Hebammen, Kinderärzt:innen, Ergotherapeut:innen oder Studien fließen ebenso wie gut strukturierte Markenwebsites in die Antworten mit ein und führen zu Produktempfehlungen.
Auch wenn die Wirkung umstritten ist: Beim Thema Suchmaschinenrelevanz gibt es SEO-Tools, die konkrete Handlungsanweisungen vorgeben, um es unter die Top-Suchergebnisse zu schaffen. Existiert bei der KI auch ein solches Instrumentarium?
Noch gibt es kein einheitliches Framework oder „offizielle Toolsets“, dafür immer mehr Best-Practice-Guidelines, um zu verstehen, wie Inhalte so gestaltet werden, dass sie von KI-Modellen besser verstanden und somit auch zitiert und eingebunden werden. LLMO (Large Language Model Optimization) oder GEO (Generative Engine Optimization) sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang häufig fallen.
Die Methoden orientieren sich teilweise an klasssichen SEO-Prinzipien wie dem EEAT-Konzept (Experience, Expertise, Authoritativeness und Trustworthiness). Auch im KI-Kontext ist das relevant, da sich ChatGPT und Perplexity vertrauenswürdige, qualitativ hochwertige Quellen bevorzugen. Strukturierte Daten (z. B. Schema.org-Markup) spielen eine zentrale Rolle, da sie helfen, Informationen klar zuzuordnen und kontextuell zu verstehen. Ebenso wichtig sind technische Grundlagen wie Auffindbarkeit, saubere Sitemaps und eine korrekte Darstellung im Quellcode, damit Informationen in KI-Antworten überhaupt berücksichtigt werden können.
Kann man auch Budget investieren, um sich bei den KI-Antworten hochranken zu lassen?
In den organischen KI-Antworten ist das aktuell noch nicht möglich. Nicht im Sinne eines klassischem Werbebudgets. Perplexity testet in den USA aktuell Anzeigeformate als „sponsored follow-up questions“. Laut Anbieter sollen Werbekunden die inhaltlichen Antworten jedoch nicht beeinflussen.
Unterscheiden sich die Datenquellen für Antworten in Suchmaschinen wie Google zu denen in KI-Tools?
Absolut. Während klassische Suchmaschinen wie Google (fast) in Echtzeit auf einen festen Index aus Milliarden von Webseiten zugreifen, arbeiten KI-Tools mit unterschiedlichen Datenquellen und auf Basis vorgefertigter Trainingsdaten. Die Modelle analysieren die Trainingsdaten, um die Wahrscheinlichkeiten für Worte und Sätze zu lernen. Sie rekonstruieren Inhalte.
Google zieht z. B. für seine neue „AI Overview“ Inhalte aus dem eigenen Suchindex heran und fasst diese mithilfe von KI zusammen. Perplexity hingegen recherchiert im Web und weist die genutzten Quellen transparent aus. ChatGPT basiert hingegen primär auf trainierten Daten und greift nur im Browsing Modus auf aktuelle Inhalte zu.
ChatGPT, Perplexity oder Gemini: Unterscheidet sich die Kommunikation je nachdem, welches Tool man bespielen möchte? Welche Zielgruppen erreicht man mit welcher KI am besten?
Ja, die Kommunikation und Zielgruppe variieren. Die Art, wie man mit den Tools kommuniziert (Tonalität, Prompt-Strategie, Erwartungshaltung), und wen man damit erreicht, unterscheidet sich deutlich.
ChatGPT ist das am weitesten verbreitete KI-Tool weltweit und hat mit hundert Millionen wöchentlichen aktiven Nutzern eine sehr breite Nutzerschaft. Daher eignet es sich insbesondere für alle B2C Themen, der allgemeinen Informationssuche, für das Lernen, Schreiben und die Ideenentwicklung. Perplexity ist etwas spezifischer. User sind vermehrt Tech-interessierte, die auf aktuelle, faktenbasierte und nachvollziehbare Informationen mit transparenten Quellen setzen. Gemini richtet sich vor allem an Nutzer:innen, die bereits im Google-Umfeld aktiv sind.
Adressieren wir abschließend die Angst vor der KI als „Job Killer“. Wird die klassische PR-Arbeit im KI-Zeitalter zum Auslaufmodell?
Die rasante Entwicklung generativer KI-Systeme stellt die Unternehmens-, Marken- und Produktkommunikation definitiv vor eine Neuausrichtung. Sichtbarkeit wird künftig nicht mehr allein durch Suchmaschinenrankings definiert, sondern darüber, ob und wie eine Marke in den Antworten dieser Systeme erscheint. GEO ist dabei mehr als ein Trendbegriff. Es ist aus meiner Sicht eine strategisch notwendige Erweiterung der Kommunikationsarbeit, die klassische SEO um eine inhaltlich-narrative Dimension ergänzt.
Insbesondere in der Baby-, Kids- und Elternbranche, in der Vertrauen, Expertise und Sichtbarkeit von großer Relevanz sind, wird KI zur neuen Instanz des Empfehlungsmarketings und damit PR zur Schlüsseldisziplin. Wer langfristig sichtbar und vertrauenswürdig bleiben will, sollte gezielt in redaktionelle Präsenz und strategisch platzierte Earned Media sowie Native Ads investieren und PR nicht mehr „nur“ als Contentlieferanten verstehen.
Eine strategisch geplante Kommunikationsstrategie schafft Inhalte, die nicht nur Vertrauen erzeugen, sondern auch Zugang in das kollektive Gedächtnis von generativer KI findet. Wer heute beginnt, diese Inhalte gezielt zu entwickeln, legt das Fundament für die Unternehmens-, Marken- und Produktwahrnehmung von morgen. Relevanz, Kontext und Glaubwürdigkeit ersetzen technische Taktik in ihrer Priorität. Die Frage ist nicht mehr: "Wie werde ich gefunden?" Sondern: "Was sagt die KI über mich, wenn Eltern und Jugendliche sie befragen?" Damit wird GEO wird zum strategischen Hebel einer neuen Sichtbarkeitslogik. Ein Hebel für Relevanz im digitalen KI-Gedächtnis. Das kann im hart umkämpften Spielwarenmarkt zum Wettbewerbsvorteil werden.
Eine erfolgreiche Kommunikations- und PR-Strategie sollte also mehrgleisig fahren und sowohl Redaktionen, die eigenen Communities, Multiplikatoren und Stakeholder, als auch die KI erreichen. Wichtig ist ein ganzheitlicher Kommunikationsansatz, der Inhalte nicht nur „verbreitet“, sondern strategisch dort platziert, wo die Bedürfnisgruppen und KI sie finden können.
Die Nutzung von KI-Tools können einige Aufgaben in der PR erleichtern und beschleunigen, für die Sichtbarkeit und Wahrnehmung von Marken und damit die Aufmerksamkeit innerhalb der Zielgruppen wird PR noch weiter an Bedeutung gewinnen.