Macht des Licensings: Die kunstvolle Erweiterung des Markenerlebnisses
Erweiterte Zielgruppen, schnelle Reaktionen auf Trends und Kooperationen mit Spezialisten aus anderen Branchen. Die Kunst der Markenerweiterung durch Lizenzierung hat viele Facetten - ein machtvolles Tool welches immer mehr Unternehmen für sich entdecken.
Wenn Philipp Westermeyer spricht, dann hören Marken- und Marketing-Experten genau zu. Und sie tun gut daran, denn mit seinen „Online Marketing Rockstars“ aber auch durch diverse andere Aktivitäten hat sich der Mann zu einer Art deutschem Marketing-Papst entwickelt. Einmal im Jahr holt er bei seiner Keynote-Speech im Rahmen des OMR Festivals etwas weiter aus.
2019 leitete Westermeyer sieben Marketing-Trends von den sieben biblischen Todsünden ab und stellte in diesem Zusammenhang die Frage in den Raum, was denn heutzutage „Begehren“ auslöse. Die Antwort: Kollaborationen. Wenn Menschen oder Marken kollaborieren, dann tauschen sie ihre Zielgruppen aus, dann geben sie einander gewissermaßen die Schlüssel für den jeweils eigenen Kundenstamm in die Hand.
Getauschte Zielgruppen
Der Boom, der bereits 2019 schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, hat auch 2024 nichts von seiner Magie verloren. Und selten lassen sich Zielgruppen so gut tauschen, lassen sich Markenerlebnisse so elegant erweitern wie im Lizenzgeschäft. Eine Masterclass in diesem Sektor feiert in diesem Jahr Jubiläum.
Denn vor 25 Jahren startete LEGO seine Star-Wars-Reihe. Pünktlich zum Kinostart des lang erwarteten Prequels „Episode I – Die dunkle Bedrohung“ brachte der dänische Spielwarengigant Raumschiffe und andere Gadgets aus der „weit entfernten Galaxie“ als Bausätze in die Auslagen. Eine Win-Win-Situation, deren Tragweite sich wohl nur die wenigsten ausgemalt hatten. Das Kult-Franchise, dem die Väter-Generation seit den 80er-Jahren nostalgisch nachgespürt hatte, war plötzlich mit durchschlagender Gewalt für die damaligen Söhne zugänglich gemacht worden.
Und obwohl die Qualität der Kinofilme seither unter den originalen Star-Wars-Fans als mindestens durchwachsen gilt, hat das Franchise seine Macht bis heute sogar noch ausgebaut. Auch dank Lego-Star-Wars-Filmen und Serien ist langsam aber sicher die Enkel-Generation mit dem Jedi-Virus infiziert. Derweil sind einige Bausätze zum Hit unter Sammlern geworden. Den legendären Todesstern etwa betrachtet manch einer als Investition. Auf den einschlägigen Handelsplattformen sind die Preise längst vierstellig.
Lizenzierung öffnet die Pforten zur Enkelgeneration
Hier haben wir es also nicht bloß mit einem profitablen Lizenzgeschäft zu tun. Vielmehr hat die Kooperation sowohl Lizenzgeber als auch Lizenznehmer in ungekannte Dimensionen katapultiert. Kein Wunder, dass LEGO diese Strategie konsequent weiterfährt und seither von Harry Potter über Fluch der Karibik bis hin zu Herr der Ringe nahezu jedes gefragte Franchise zu Bausätzen macht.
Playmobil, der Marktbegleiter aus dem Fränkischen, war hingegen seit jeher sehr zurückhaltend, was Lizenzprodukte angeht. Ein wenig Asterix hier( Sortiment), eine Prise Scooby-Doo (Sortiment) dort und vor allem auch ein paar Automarken – doch irgendwie schien die Handbremse der Zirndorfer Lizenzabteilung immer angezogen. Das Thema Fußball-Nationalmannschaft bestritt man vor der Heim-EM mittels einer Exklusiv-Kooperation mit der Supermarktkette Edeka. An die Spielfiguren kam der Kunde ausschließlich mittels eines verwirrenden Treuepunkt-Systems heran. Diese Verknappungs-Strategie hat Playmobil bislang noch nicht auf die Siegerstraße zurückgeführt.
Nun kann man den Durchsatz an Lizenzen natürlich nicht als alleinigen Grund ausmachen, warum bei LEGO der Rubel rollt, während Playmobil in den letzten Jahren lediglich schlechte Zahlen, gestrichene Stellen und ausgetauschte Vorstände vermeldet. Doch wird es spannend zu sehen, welche Flucht nach vorne das deutsche Traditionsunternehmen in den kommenden Monaten anstrebt. Wir wären nicht überrascht, wenn so manch lizenzierte Figur in naher Zukunft die charakteristischen Helmfrisuren tragen würde.
Wer erkennt den Trend?
Die anhaltend hohe Relevanz von Star Wars ist freilich ein Produkt eines komplexen Gemisches vieler Einzelfaktoren, von denen die Lizenzierung durch LEGO lediglich einer ist. Doch der US-Konzern Disney schreibt derzeit eine weitere Erfolgsgeschichte, deren Magie noch eindeutiger in der Lizenzierung begründet ist. Denn die Locarna-Sammelkarten, die Ravensburger derzeit mit Disney-Charakteren bedruckt, werden Verkäufern in ganz Deutschland förmlich aus den Händen gerissen. Ob Sammeln oder Spielen – der Karten-Boom, der sich in einigen Nischen durch Varianten wie Magic oder Pokémon schon seit Jahrzehnten aufbaut, erreicht langsam aber sicher seinen Peak. Wer jetzt noch mitmachen will, muss schnell sein.
Geschwindigkeit ist überhaupt eine wichtige Kernkompetenz für erfolgreiche Lizenz-Arbeit. Denn im multimedialen Zeitalter spielt immer auch der X-Faktor mit in den Wettbewerb hinein. Will sagen: Phänomene, die kein Experte hat kommen sehen, können zu Markt-Eruptionen führen. Eine Figur, die ein Influencer in seine Kamera hält, ein Song, der auf TikTok trendet… und plötzlich steht die Welt Kopf. Hier gilt es, Augen und Ohren am Puls der Zeit zu haben und schnell zu reagieren. Während in Deutschland das Alien Stitch aus „Lilo & Stitch“ plötzlich unverhoffte Popularität erlangte, schlug in Teilen Südostasiens in diesem Jahr der Bär Lotso aus Toy Story ein wie eine Bombe. Was der nächste Abräumer wird? Who knows…
Neben getauschten Zielgruppen und der schnellen Reaktion auf Trends gibt es noch einen dritten Faktor, der die Kunst der Markenerweiterung durch Lizenzierung definiert: Der Austausch von Kompetenzen. Für Fans ist es in der Regel bestenfalls sekundär, ob ein Produkt aus dem offiziellen Merchandise kommt oder ob es sich um ein Lizenz-Erzeugnis handelt. Doch für den Lizenzgeber gibt es unzählige Faktoren, die der Endkunde meist nicht mitbekommt.
Austausch von Kompetenzen
So erklärte beispielsweise eine Lizenzmanagerin eines Fußball-Bundesligisten kürzlich gegenüber BRANDORA, dass man vor allem im Lebensmittelbereich sehr auf Lizenz-Kooperationen aus sei. Denn hier könne man mit Partnern zusammenarbeiten, welche über das nötige Know-how ebenso verfügen wie über die Distributions-Netzwerke.
Macht Sinn: Ein Sportverein wird es kaum schaffen, die logistischen und hygienischen Standards zu gewährleisten, die hierzulande im Food-Bereich vorherrschen. Ebenso ist er kein Experte darin, Cornflakes in die Regale der einschlägigen Supermarktketten zu bringen. All das können andere besser. Der Cornflakes-Hersteller hingegen freut sich über die Strahlkraft, den ein Vereinswappen und/oder ein Maskottchen auf der Packung erzeugen. Eine Lizenzkooperation ist auch hier die optimale Win-Win-Situation.