Politik spielerisch erleben – Interview mit Spieleentwickler Lukas Huemer

21.11.2025
Spielwaren
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„Das Politische Talent“ ist eine der vielversprechendsten Neuheiten, die in diesem Jahr auf der SPIEL Essen zu entdecken waren. Ohne einen Verlag im Rücken kreierte der österreichische Entwickler Lukas Huemer ein Spiel, bei dem Spieler in den bundespolitischen Betrieb eintauchen und diesen gestalten. Zunächst in seinem Heimatland, mittlerweile gibt es auch die „Deutschland“-Version. Wie Huemer im BRANDORA-Interview verrät, ist er interessiert an einem Vertriebspartner für den Stationären Einzelhandel.

Herr Huemer, auf der SPIEL 2025 war Ihr Messestand einer der wenigen, auf denen kein Verlagsname stand. Dennoch waren ein enormer Menschenandrang und sogar Kameraaufzeichnungen zu beobachten. Wie bewerten Sie das Interesse, das derzeit an Ihrem ersten Gesellschaftsspiel „Das politische Talent“ herrscht?

Überwältigend! Ich war zum ersten Mal auf der SPIEL und ich war von den Leuten und der Stimmung beeindruckt. Ich bin dankbar für das große Interesse und das positive Feedback, das ich für „Das politische Talent“ bekomme.

In einer Zeit, in der die Politik immer polarisierender wird, ist es wohltuend, spielerisch auf das Thema zuzugehen. So kann man Politik selbst erleben.

In dem Spiel geht es darum, sich als politische Partei bei Wahlkampf, Regierungsbildung und während der Legislaturperiode zu behaupten. Wie kam es zu diesem Projekt?

Ich war schon immer an Politik interessiert und spiele gerne Brettspiele. Daher war ich auf der Suche nach Spielen in diesem Genre.

Ich musste feststellen, dass es nur wenige Politik-Simulationen als Brettspiel gibt. Deshalb habe ich angefangen, für mich selbst ein Spiel zu entwerfen. Nach vielen Testrunden und Weiterentwicklungen hatte ich einen fertigen Prototypen. Auf diesen war ich so stolz, dass ich das Spiel auch mit der Welt teilen wollte.

Zuerst ging ich mit meinem Prototypen zu einer Agentur, die Spieleautoren an Verlage vermittelt. Dort fand man keinen passenden Verlag für mich und auch vom Eigenverlag hat man mir explizit abgeraten.

Davon habe ich mich nicht entmutigen lassen und habe in Folge versucht, über Kickstarter die Produktionskosten für die erste Auflage zu finanzieren. Ich konnte aber leider nicht genug Unterstützer finden. Die Rückmeldungen waren aber sehr positiv und das Interesse so groß, dass ich entschieden habe, das Risiko einzugehen. Ich habe die Produktionskosten komplett aus der eigenen Tasche gestemmt.

Hatten Sie vorher bereits Erfahrungen im Entwickeln von Spielen? Wie haben Sie sich die Mechanismen erschlossen?

Keine professionelle Erfahrung. Aber als Kind habe ich gerne bestehende Brettspiele mit Hausregeln abgeändert. Ich hatte oft mehr Spaß beim Ausdenken von neuen Spielmechanismen als beim Spielen selbst.

Ich begann auch damit, Prototypen für eigene Spiele zu basteln und meine Familie und Freunde „mussten” diese immer wieder testen. Der initiale Gedanke für „Das politische Talent“ kam mir 2021. Ich begann mit selbstgemachten Karten und Komponenten ein Politik-Brettspiel zu entwickeln. Und bei den Test-Spielrunden merkte ich, dass mir da was Besonderes gelungen ist.

Bei der Ursprungsversion bildet man das Parlament Ihres Heimatlandes Österreich nach. Kurze Zeit später haben Sie eine „Deutschland“-Version nachgelegt. Wie unterscheiden sich die beiden Ausgaben?

Gleich nach dem Launch der Österreich-Version im September 2024 bekam ich auf Social Media fast täglich dieselbe Frage: „Wann kommt die Deutschland-Version?“ Auf das große Interesse musste ich natürlich reagieren. Im August 2025 kam dann die deutsche Version raus.

Vom Spielprinzip sind die beiden Ausgaben identisch. Bei der Deutschland-Version sind die Grafiken, die Farben der Spielsteine und die Namen der spielbaren Charaktere auf Deutschland angepasst… wobei die Namen wie Friedrich Schmerz, Olaf Schmalz und Heidi Reicheweg offiziell natürlich frei erfunden sind.

Ohne allzu sehr ins Detail zu gehen: Wie bildet „Das politische Talent“ die bundespolitische Parlamentsarbeit nach?

Im Spiel muss man mit anderen Spielerinnen und Spielern zusammenarbeiten, um seine Wahlversprechen umzusetzen. Sich gegenseitig zu blockieren hilft niemanden, nur der Kompromiss bringt einen ans Ziel.

Es kommen auch keine echten Parteien vor, sondern jeder bekommt drei Themen (z.B. Wirtschaft, Umwelt und Bildung) und diese dienen dann als Ausrichtung der fiktiven Partei. Dadurch entsteht die nötige Distanz zur Realität, wodurch Spielerinnen und Spieler verschiedener politischer Präferenzen gemeinsam eine unterhaltsame Runde spielen können.

Das Spiel soll explizit auch eine pädagogische Dimension haben und Sie empfehlen es zur Nutzung in Schulen. Wie steht es bislang um das Interesse aus dem Bildungssektor?

Bei der Entwicklung hatte ich in erster Linie die Absicht, ein unterhaltsames Spiel für politikinteressierte Erwachsene zu schaffen. Dass das Spiel pädagogisch sehr gut angewendet werden kann, merkte ich erst, als mehr und mehr Anfragen von Schulen kamen. Vielleicht kommt das Spiel gerade deshalb so gut bei den Schülerinnen und Schülern an, weil sie in erster Linie Spaß haben und unbewusst dabei lernen.

Gibt es auch Facetten der politischen Arbeit, die man in einem Brettspiel nicht abbilden kann?

Die Komplexität der tatsächlichen politischen Arbeit kann nie komplett abgedeckt werden. Es werden die Grundzüge der Abstimmung im Parlament, der Regierungsverhandlung und die Taktiken des Wahlkampfes durch verschiedene Spielzüge skizziert. Man stimmt über Wahlversprechen ab, verbessert Kandidaten mit Imagekampagnen oder - wenn man in der Opposition ist - bringt man mit einem Untersuchungsausschuss die Skandale der Regierung ans Licht.

Da das Spiel über 3 Regierungsperioden läuft, gilt es, sich immer auf den nächsten Wahlkampf vorzubereiten. So bleibt das Spiel - wie die echte Politik - dynamisch.

Bislang veröffentlichen Sie „Das politische Talent“ im Eigenverlag. Sind Sie interessiert an Kooperationen, beispielsweise für Marketing und Vertrieb?

Ich verkaufe derzeit fast ausschließlich über meine Website. Ich suche aber nach Vertriebspartnern für den stationären Handel. Da sehe ich viel Potential und freue mich, wenn ich dafür einen Partner finden könnte.

Haben Sie Ambitionen, weitere Spiele zu entwickeln? Gibt es schon Ideen?

Ja! Ich will jedenfalls das Universum rund um “Das politische Talent" erweitern.

Dazu zählen jedenfalls eine 2-Spieler-Variante, eine internationale Version und auch eine komplexere Pro-Version von “Das politische Talent". Aber diese Projekte existieren derzeit nur als grobe Ideen.

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